Es begann im Sommer 2016. Die Uni Greifswald fragte die Universitätsbibliothek Kiel nach frühen Lutherdrucken an. Als Klára Erdei, Leiterin des Arbeitsbereichs Altbestände, den Zustand dieser Drucke prüfen wollte, zog sie einen Band mit Luthers Thesen aus dem Regal.
Bald bemerkte sie, dass es sich nicht um eine beliebige Kopie handelte, sondern um einen der Erstdrucke. „Es gibt nur noch ungefähr 20 bekannte Buchausgaben der Thesen aus dieser Zeit“, erklärt Erdei. Kürzlich wurde ein Exemplar für 1,1 Millionen Euro versteigert. „Bei uns stand die Ausgabe im drittunwichtigsten Altbestand herum, und niemand wusste davon“, sagt Erdei.
Daraufhin tauchten weitere Unikate und Erstausgaben auf, etwa ein Originalexemplar des Septembertestaments von 1522. Erdei wandte sich an Johannes Schilling, Präsident der Luthergesellschaft. Der fand heraus: Einen Teil der Drucke hatte die Kieler St.-Nikolai-Gemeinde 1665 der Universität zur Gründung geschenkt.
Einen weiteren Teil kaufte der ehemalige Bibliotheksdirektor Christoph Weber 1933 und 1934. Dass die Drucke in Vergessenheit gerieten, erklärt Erdei mit der Digitalisierung des Katalogs. Dort waren die Werke zwar verzeichnet, auf ihren Wert gab es aber keinen Hinweis. Noch bis 22. Dezember sind etwa 60 der seltenen Schriften in der Universitätsbibliothek ausgestellt. Danach wandern sie zurück ins Archiv. Vergessen werden sie hoffentlich nicht mehr so schnell.