People walk through a street as an Estelada (Catalan separatist flag) flutters in Barcelona
People walk through a street as an Estelada (Catalan separatist flag) flutters in Barcelona, Spain, October 27, 2017. REUTERS/Yves Herman - RC1AD4913460
Yves Herman/reuters
Zuhören und Ärmel hochkrempeln
Sonst gibt es in Spanien womöglich noch weitere Rebellionen.
Foto: Privat
27.10.2017

Spanien hat 17 autonome Regionen. Eine mupft immer wieder auf. Katalonien erwirtschaftet fast 20 Prozent der spanischen Wirtschaftskraft und gehört im föderalen Finanzausgleich zu den großen Einzahlern. Barcelona war lange Macht- und Handels­zentrum, hatte immer Austausch mit Frankreich und anderen Mittelmeerländern. Seit 1714 gehört die Grenzregion im Nordosten zum Königreich Kastilien, aus dem sich der spanische Staat entwickelt hat. Dazugehörig fühlten sich die Katalanen nie so richtig, schon gar nicht während der fast 40-jährigen Franco-Diktatur, als die katalanische Sprache verboten war.

Im Zuge der Wirtschaftskrise sind die separatis­tischen Kräfte stärker geworden. „Ohne Madrid ginge es uns besser“, der Gedanke trieb seit 2010 viele Kata­lanen in die Unabhängigkeitsbewegung. Und es stimmt wahrscheinlich. Katalanen gelten als gut organisiert.

Deshalb haben sie am 1. Oktober ein Referendum zur Unabhängigkeit abgehalten, ohne Zustimmung aus Madrid. Es kam zu Polizeigewalt, mehr als 800 Menschen wurden verletzt. Die Katalanen waren entsetzt, gingen auf die Straße. Doch die Regierungschefs Carles Puigdemont und Mariano Rajoy sprechen nicht miteinander. Sie verharren auf ihren Positionen: Hier das Referendum mit 90 Prozent der Stimmen für die Unabhängigkeit, dort Spaniens Einheit. Und die Kata­lanen sind gespalten. Nicht alle wollen eine Republik Katalonien. Aber alle wollen, dass man ihnen zuhört.

„Zuhören“ ist derzeit ein Fremdwort. Die Fronten sind verhärtet, es gibt keinen Raum für Zwischentöne, geschweige denn Zugeständnisse. Die Wunde, die jetzt in Spanien klafft, wird lange nicht heilen. Das Verhältnis wird weiter schwer belastet sein, egal, wie der Konflikt endet. Katalonien und Spanien werden immer Nachbarn bleiben, mit oder ohne Landesgrenze.

Die Herausforderung heißt nun: zu einem zivili­sierten Umgang zurückkehren. Vermittler sind nötig. Es wird ein schwieriger Prozess. Die Wunde ist nicht neu, sie hat über viele Jahre geschwärt. Jahrzehntelang hat Madrid regionale Befindlichkeiten ignoriert. ­Spanien hat die Diktatur nicht aufgearbeitet. Die Verfassung von 1978 muss modernisiert werden. Wenn Spaniens Zentralregierung dies nicht erledigt, rebel­lieren demnächst nicht nur Katalanen, sondern auch andere ­Regionen.

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Brigitte Kramer

Brigitte Kramer ist freie Journalistin 
und lebt in Spanien