chrismon: Warum sind Sie 2015 nach Tröglitz gegangen?
Jo-Anne Velin: Wegen des verkohlten Dachstuhls der Asylunterkunft dort. Er war zur Ikone für den Hass im Osten geworden. Das war mir zu einfach. Ich wollte von Menschen erzählen, die im 20. Jahrhundert drei extrem unterschiedliche politische Phasen durchlebt haben. Ich habe Menschen über 17 Monate immer wieder besucht, die eigentlich nicht mit Medienleuten reden.
Wie haben Sie ihr Vertrauen gewonnen?
Ich war oft ohne Kamera unterwegs, hatte nur ein Aufnahmegerät dabei. Ich habe beobachtet und gewartet, bis die Menschen mich gar nicht mehr wahrgenommen haben. Dann fing ich mit dem Filmen an.
Was hat Sie überrascht?
Für mich als Kanadierin sind Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben und Dialekten eine Selbstverständlichkeit. Dort stieß ich auf Ängste gegenüber Fremdem. Doch nach einiger Zeit entstanden Freundschaften zwischen Neuen und Alten im Ort. Ich war überrascht, dass nur 59 Prozent der Menschen 2016 in Tröglitz zur Landtagswahl gingen. Und dass im dortigen Wahlkreis die AfD das Direktmandat geholt hat. Ich habe die Elsteraue nicht als braune Gegend empfunden.
Was denken die Tröglitzer über Ihren Film?
Oft haben die Leute wenig Kontakt miteinander. Ich hab ihnen gezeigt, wer ihre Nachbarn sind. Das größte Lob gab eine Frau, die erst nicht zu sehen sein wollte, und am Ende sagte: „Ich bin froh, dass ich mitgemacht habe!“
Der Film zeigt Spannungen und ist trotzdem respektvoll.