In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Gestern habe ich mich sehr lebendig gefühlt, wir waren in dieser verraureiften Natur spazieren. Die Kälte, der blaue Himmel, die Sonne, die sich lange nicht hatte blicken lassen. Und dann die mecklenburgische Landschaft mit ihren Seen, Wäldern, Wiesen. Mit einem kleinen Kind geht man ja früh los, da hatte die Sonne noch nichts weggeschmolzen. Da draußen fühle ich mich sehr lebendig, bin ich mit allen Sinnen anwesend, höre ich aufmerksamer zu – sowohl den Geräuschen der Natur als auch der Familie.
Was können Erwachsene von Kindern lernen?
Die freie Assoziation, die spontane Äußerung, die eigenen Gedanken ungefiltert rauszulassen. Das ist ja für Erwachsene offensichtlich extrem schwer. Und einfach herumzublödeln, das habe ich wieder aus mir herausgeholt. Meine kleine Tochter genießt es, wenn ich mit ihr tobe und Quatsch mache. Wie sie es liebt, wenn ich meine Stimme verstelle oder komische Geräusche mache! Dann lacht sie sich scheckig. Das macht so einen Spaß! Mit wem macht man das sonst? Macht man doch nicht. Und ich bin gelassener geworden. Hatte ich früher einen anstrengenden Tag, dann konnte ich schon mal ungnädig werden. Heute denke ich oft: Dann iss halt deine Nudeln mit den Fingern, das ist mir jetzt egal! Ich bin bestimmt keine antiautoritäre Mutter, aber in solchen Momenten bringt es nichts, wenn ich mit der Erziehungskeule komme.
Karoline Schuch
Haben Sie eine Vorstellung von Gott?
Es gibt etwas, das größer ist, als ich es mir vorstellen kann. Diese Gewissheit ist definitiv durch die Geburt meines Kindes gekommen. Die Schmerzen, von denen ich vorher dachte: Das halte ich nicht aus, das ist zu viel! – die waren plötzlich völlig egal. Meine Tochter wurde mir auf die Brust gelegt, und ich sah sie und spürte sie, und sie war mir das Liebste auf der Welt, alles andere war mit einem Mal zweitrangig. Das ist so grenzenlos gewesen von der ersten Sekunde an. Ich bin sehr dankbar dafür, dass dem Menschen das so eingegeben wurde, das ist für mich etwas Göttliches.
In dem Film "Katharina Luther" spielen Sie die Frau des Reformators. Was haben Sie vorher über sie erfahren?
Aus ihrer eigenen Feder gibt es nahezu nichts. Sie hat viele Briefe an Martin Luther geschrieben, jedoch kein einziger ist erhalten. Es ist viel Interpretation im Spiel. Katharina wurde mit kaum sechs Jahren ins Kloster geschickt. Ich glaube, dass sie ein sehr junges, kleines, gebrochenes Herz hatte, ich kann es mir nicht anders vorstellen. Ich war in dem Alter eine Woche allein auf Kur, das war die Hölle für mich. Die Leute waren nicht gemein zu mir, aber ich habe mich schrecklich einsam gefühlt. Katharina musste das über Jahre hinweg ertragen – da muss ihr Urvertrauen sehr erschüttert gewesen sein. Zugleich ist sie eine starke Frau, die aus dem Kloster ausbricht, die für sich entscheidet: Ich will nicht im Zölibat leben. In unserem Film sagt sie den Satz: "Ich möchte ein ganzes Leben leben." Ich finde, das ist ein sehr schöner Gedanke und ein schönes Ziel auch für das eigene Leben. Also das zu tun, was mir und denen, die ich liebe, guttut. Ohne größte Kompromisse. Und wenn ich merke, das funktioniert nicht mehr – für mich oder meine Familie –, dann muss ich etwas ändern.
"Katharina Luther hatte ein gebrochenes Herz"
Muss man den Tod fürchten?
Ich steige ins Flugzeug, aber ich plane meine Zeit nur bis zum Flug. Ja, ich fürchte den Tod, im Hinterkopf sitzt die Furcht, dass das alles nicht mehr lange gutgeht. Schon zu Kinderzeiten habe ich oft gedacht: Bald wird etwas passieren, das alles kaputt macht. Daraus aber den Umkehrschluss zu ziehen und jeden Tag so zu genießen, als wäre es der letzte – das gelingt mir auch nicht oft.
Welche Liebe macht Sie glücklich?
Ich bin sehr froh, dass ich trotz meiner Eigenheiten und meiner teilweise anstrengenden und auch mal egoistischen Art sehr aufrichtig geliebt werde von einem Menschen, der sich das anscheinend so ausgesucht hat, ohne Wenn und Aber. Das macht mich sehr glücklich. Das war keine Gewissheit von Anfang an, in der ersten Zeit dachte ich: Der meint nicht mich, der meint nur meine Hülle. Dabei hat er mir sehr klar gesagt: "Du bist es." Irgendwann konnte ich das annehmen und konnte mich ihm so zeigen, wie ich wirklich bin. Wir streiten viel und manchmal auch heftig, aber es ist nie so, dass wir es grundsätzlich infrage stellen.