Der Hafen von Piräus ist laut und riesig. Die größten Kreuzfahrtschiffe und Frachter der Welt sind hier zu Gast. Mit über 17 Millionen Passagieren ist Piräus der größte Kreuzfahrthafen Europas und Nummer acht beim Containerumschlag.
Mitten im Trubel sehe ich immer mehr stillgelegte Schiffe. Einige warten auf Käufer, aber viele auch auf die Zwangsversteigerung, weil die Reedereien insolvent geworden sind. Einige Besatzungsmitglieder müssen so lange als Wachpersonal an Bord bleiben, das schreiben die Behörden so vor. Als Seemannsdiakonin treffe ich auf diese Männer aus der Ukraine, Rumänien, Bulgarien und den Philippinen, die Wochen, Monate oder sogar Jahre hier an Bord ausharren. Manche der Schiffe haben keinen Strom- und Wasseranschluss, keine Heizung – im Winter ist es auch in Griechenland kalt – und keinen Kühlschrank, ohne den es im heißen Sommer kaum geht.
Weder Schiffseigner noch Staat kümmern sich um die Männer, sie kriegen kein Geld, warten auf ihren Lohn, bis das Schiff endlich versteigert ist und sie als Gläubiger ausbezahlt werden. Ihre Arbeitsverträge sind längst abgelaufen, aber sie können auch deswegen das Land nicht verlassen, weil ihre Papiere zur Verwahrung bei den Behörden liegen. Was viele am meisten quält: Sie können ihren Familien zu Hause kein Geld mehr schicken.
In Piräus erhalten diese Männer zumindest das Lebensnotwendige, weil die Gewerkschaft der Seeleute sie mit Essen und Kraftstoff für die Maschinen unterstützt, ebenso wir als Seemannsmission und einige Privatpersonen. Aber wie lange kann ein Mensch menschenwürdig mit so wenig und in einer solchen Situation leben? Wie lange kann eine Familie ohne den Ernährer auskommen? Die Seeschifffahrt ist seit Jahren in der Krise. Große und kleine Reedereien weltweit mussten aufgeben oder mit anderen fusionieren. Viele Schiffe wechseln zurzeit den Besitzer. Wenn sich kein Käufer findet, werden sie nach Asien zum Verschrotten gebracht. Eigentlich eine ganz normaler Vorgang in der Wirtschaft: verkaufen, kaufen, eventuell entsorgen und den Materialwert als Gewinn einstreichen. Aber was mit den Besatzungen auf den Schiffen passiert, interessiert offenbar keinen.