Uusi Valamo
Die orthodoxe Kirche in Uusi Valamo im Osten Finnlands
Foto: Hans-Christian Beutel
An der Grenze zu Russland
Reisepastor Hans-Christian Beutel über das Nicht-Miteinander im kulturellen Zusammenleben in Ostfinnland
Foto: Privat
23.06.2016

Glocken rufen zum Abendgebet. In der Kirche mit dem Zwiebelturm empfängt mich Weihrauchduft und Kerzenschein. Durch die Kuppelfenster fällt schräg das Abendlicht. Menschen kommen herein und grüßen die Ikonen – wie Freunde. Zum Beispiel den Heiligen Nikolaus, der Weisheit, Barmherzigkeit und tiefen Ernst ausstrahlt. Der volle Bass eines Priesters eröffnet den Gottesdienst.

###autor###Ich bin manchmal hier zu Gast in Uusi Valamo, einem orthodoxen Kloster, etwa 350 Kilometer nordöstlich von Helsinki. Es ist mein Quartier, wenn ich die Gemeinden im Osten Finnlands besuche. Hier begegnen mir der Glaube und die Liturgie der Ostkirche in einem Gottesdienst, der im wesentlichen Anbetung und Fürbitte ist. Und hier begegnen mir Kultur und Mentalität Osteuropas in einer liebenswürdigen, herzlichen Gastfreundschaft. Ich begegne beidem gerne. In Karelien, dieser schönen Landschaft im Osten Finnlands, leben die westlich-lutherische Kirche und die östlich-orthodoxe Kirche gut miteinander.

Selbstverständlich ist das nicht, denn die Landschaft trägt ihre Narben: Wenn ich zum Gottesdienst in einen Ort nahe der russischen Grenze fahre, dann komme ich vorbei an den Grabensystemen im Wald – Nachlass des letzten Krieges. Und an den Stahlbetonkreuzen der Panzersperranlagen – hilflose Prävention gegen einen etwaigen nächsten. Wenn ich vom Gottesdienst zurückkomme, dann halte ich manchmal an bei einem Friedhof mit langen Reihen uniformer Kreuze: Soldatengräber. 

Die Landschaft hier vermittelt ein Gefühl dafür, was das „Nicht-Miteinander“ von Ost und West bedeutet. Hier habe ich das „Nicht-Europa“ vor Augen: das Gegeneinander von Nationalstaaten mit ihrem Lagerdenken und wechselnden Loyalitäten.

Vor mehr als 40 Jahren begann in der finnischen Hauptstadt der KSZE-Prozess: die Konferenz für Sicherheit und Zu­sammenarbeit in Europa. Dass der bewährte „Geist von Helsinki“ im derzeitigen Auseinanderdriften Europas noch einmal seine verbindende Kraft entfalten möge, darum bitte ich beim Fürbittgebet an diesem Abend.

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