Florian David Fitz
Foto: Dirk von Nayhauß
"Das ist so ein Gefühl, hautlos zu sein, das Ego löst sich auf"
Unerfüllte Liebe macht nicht glücklich, sagt Florian David Fitz. Aber trotzdem hält sie oft länger. Vor allem in der Jugend!
Dirk von Nayhauß
25.01.2016

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Ganz viel. Kinder können aber bekanntlich auch sehr viel von Erwachsenen lernen! Kinder werden oft romantisiert, sie sind unverstellt gut, doch auf eine Weise auch viel böser, als erwachsene Menschen es je sein könnten, weil sie so pur sind, wenn sie jemandem wehtun wollen. In Kindern hast du die Anlagen für alles, was man in der Menschheitsgeschichte je gesehen hat. ­Dieses Unreflektierte der Kinder ist natürlich auch etwas wahnsinnig Schönes, aber ich glaube nicht, dass man das lernen kann. Wir sind erwachsen, es gibt kein Zurück, das wäre eine Illusion. Ich will auch nicht zurück. Ich hatte eine super Kindheit, aber es gab auch viele Gespenster – wie bei jedem, das wird gerne vergessen.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Die Vorstellung von Gott als bewusstem Wesen ist für mich die menschliche Sehnsucht, dass die Dinge geordnet sein mögen. Dass das, was wir nicht verstehen, doch einen Sinn ergibt. Ich bin ­katholisch aufgewachsen. Früher sah ich vieles, was für mich nicht stimmte. Meinen Frieden habe ich gemacht, als mir klarwurde, worum es da eigentlich geht: diese Zugewandtheit, die uns Angst und Aggression nehmen soll. Und die stärkt, was ein Mit­einander ermöglicht – nicht nur zwischen Menschen, sondern ­zwischen allem, was herumschwirrt. Es gibt Momente, da spüre ich eine Verbindung, dann empfinde ich auf einmal eine große ­Ruhe. Das ist so ein Gefühl, hautlos zu sein, das Ego löst sich ein bisschen auf. Es nimmt einem diesen Druck, jemand sein und ­etwas dar­stellen zu müssen. Ein gutes Gefühl – weil ich etwas ver­ste­he, was ich eigentlich sowieso weiß; ich werde nur dran erinnert.

Muss man den Tod fürchten?

Was soll man sich Gedanken darüber machen? Natürlich möchte man nicht wissen, wie man stirbt. Man möchte ja auch nicht wissen, wie man sich entliebt oder scheidet. Es werden traurige Dinge im Leben passieren, und das ist okay so. Der Tod ist die logischste Sache in einem Menschenleben. Früher wurden die Toten aufgebahrt. Da konnte man den Tod noch physisch spüren: Da liegt jemand, der vorher lebendig war, und jetzt ist er tot. In der einen Sekunde ist noch ein Bewusstsein in diesem Körper, und plötzlich ist es weg. Das kriegt man einfach nicht in seinen Kopf, aber es hilft, es sinnlich zu erfahren.

Real ist das für mich geworden, als mein Hund eingeschläfert wurde, das Herz macht ja nur wenig Unterschied zwischen den Gattungen. Ich bin zehn Jahre lang mit ihm aufgestanden und wieder ins Bett gegangen, Obwohl das sehr traurig war, hatte es seine Richtigkeit. Es heißt, man solle die Feste feiern, wie sie fallen, und auch der Tod ist eines von diesen Festen. Feste müssen ja nicht immer lustig sein. Man darf nicht in den Widerstand gehen, sich dagegen sträuben, dann kann man abschließend eher sagen: „Es ist vorbei. So sind die Dinge, und ich bin Teil davon.“

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die erfüllte. Sie wird zurückgegeben und wird dadurch nicht schwächer, sondern stärker. Die unerfüllte ist ja nicht angetan, ­einen glücklich zu machen – und deswegen hält sie meistens ­länger. Wenn man jünger ist, hat man diese ganzen Spiele: Man liebt das, was man nicht hat; und was man hat, wird plötzlich wertlos. Glücklich habe ich mich in dem Moment gefühlt, wo ich gemerkt habe: Warte mal, das Gegenüber wird nicht dadurch wertlos, dass ich zurück geliebt werde, sondern jetzt geht es erst richtig los.

Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?

Ich würde das, glaube ich, zu leicht abtun, wenn ich sagte: Ich habe Gott sei Dank noch nie so viel Schuld auf mich geladen. Aber tatsächlich fällt mir jetzt nichts Schlimmes ein, wofür ich wirklich große Schuldgefühle hätte. Und wenn, dann verdränge ich erst mal oder gebe anderen die Schuld. Auf einem erwachsenen und bewussteren Level versuche ich dann, es konstruktiv zu machen. Für mich ist es schwer, wenn Sachen unaufgelöst sind, dann habe ich den ewigen Drang, mich zu erklären und zu entschuldigen, bis ich die Absolution erteilt bekomme.

Wer oder was hilft in der Krise?

Ruhe und Vertrauen, wenn man die Zeit hat. Erst einmal einen Schritt zurückgehen, um einen Eindruck zu kriegen: Was ist das überhaupt? Nicht sofort reagieren. Ich glaube, Helmut Schmidt hat das konsequent so gehandhabt: Analyse der Lage. Lösungsvorschläge. Machen.

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Lieber Herr von Nayhauß,
Sie stellen da wahrlich gewichtige Fragen (und ich frage mich beim Lesen, wie sie die wohl selbst beantworten würden/könnten)!
Wären sie  m i r gestellt, ich wäre versucht, sie mir zu vereinfachen.   In gewisser Weise bringt das Herr Fitz auch fertig, allerdings gehört er einer anderen Generation an - ich selbst bin Jahrgang 1934!  Er gibt sich zumindest nicht überfordert, wenngleich ich mich frage, und damit ihn, was ein "aufgelöstes Ego" im Verhältnis zur persönlichen Gottesvorstellung zu bedeuten hat. Beides erscheint mir nicht vorstellbar bzw. führt m.E. in falsche Richtung.  Andererseits sind seine Angaben zu Frieden und großer Ruhe sicherlich nicht falsch.
Die Frage nach dem (Selbst-)Lernen von Kindern ist dagegen sehr schön gestellt und mit dem "Nicht-zurück" vergleichsweise unbeantwortet. Aber vielleicht kennt nicht jeder Jesu Aufforderung: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder..., um daran anzuschließen.
Ich sehe die Rubrik: Fragen an das Leben durchaus positiv. Nur: Wieviel Zeit lassen Sie eigentlich dem Befragten jeweils?
 
Mit freundlichem Gruß!  
Rüdiger Brendel