„Somos Pacifico“ heißt das Kulturzentrum, in dem ich seit sechs Monaten als Freiwillige arbeite. Auf Deutsch: „Wir sind Pazifik.“ Es liegt in Potrero Grande am Stadtrand von Cali, der drittgrößten Stadt Kolumbiens. Hierhin, an den Stadtrand, sind zahlreiche Menschen von der Pazifikküste gezogen, circa drei Stunden mit dem Bus landeinwärts. Viele wurden aus ihren Häusern vertrieben, damit Anbauflächen für Drogen frei werden.
Ihre Kultur haben sie mitgenommen. Wenn sie musizieren, dann mit Gesang, Trommeln, der Guasá (einer Rassel) und der Marimba für die melodische Begleitung. Bei einem Konzert in unserem Kulturzentrum trägt die Sängerin ein weites Kleid und eine weiße Bluse, und um den Kopf hat sie ein buntes Tuch gebunden.
###autor###Um mich stehen Mütter, Kinder, Väter aus dem Viertel, einige sind in traditioneller Tracht gekommen. Die Sängerin ruft ihnen zu: „Tanzt mit uns, ihr kennt doch alle die Schritte. Vergesst nicht, wir kommen vom Pazifik!“ Zunächst tanzt niemand, anscheinend schüchtert der Appell die Leute ein. Die Sängerin fordert eine Zuschauerin auf, die Guasá zu spielen. Die schmale Frau steht in ihrem dünnen weißen Kleid gebeugt da und wirkt in der Gruppe auf mich ganz verloren. Doch sie beherrscht die Rhythmen sehr routiniert.
Nach dem Konzert spreche ich mit Henry, der das Konzert veranstaltet hat. Auch seine Familie stammt von der pazifischen Küste. Er erklärt mir, wie wichtig es ihm sei, seine Kultur zu erhalten. Die Sprache seiner Vorfahren, die aus Afrika nach Kolumbien kamen, kennt er nicht mehr. „Kolumbien besteht aus vielen Kulturen, die sich vermischt haben“, sagt er, „aus der Kultur der Ureinwohner, der Kolonisten und der ehemaligen Sklaven aus Afrika. Wir sprachen daher auch viele Sprachen. Doch die meisten haben wir heute vergessen. Die Spanier haben sie uns genommen.“
Traditionelle Musik und Tanz will Henry lebendig erhalten, um Identität zu stiften. Das schafft Zusammenhalt – und beugt so neuer Gewalt vor.