Reformationsjubiläum 2017 christlicher Glaube in offener Gesellschaft
Udo di Fabio sprach in Bremen zum Thema "Christlicher Glaube in offener Gesellschaft"
Foto: Hanno Gutmann / epd-bild
Zeit für Klarstellungen
Sind die Kirchen verkappte Machtpolitiker? Im Vorfeld des Reformationsjubiläums klären sie ihre Rolle
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
05.11.2015

Wenn Kerstin Griese, SPD-Bundestagsabgeordnete und Initiatorin des jetzt geltenden Sterbehilfegesetzes, auf ihre Facebook-Seite schaut, stößt sie dort auf wütende Kommentare. "Reaktionäres christliches Gedankengut hat über die freie Selbstbestimmung eines jeden Menschen gesiegt", kann sie da lesen. Oder: "Wir brauchen dringend eine andere Form der parlamentarischen Demokratie, in der nicht mehr Ideologie, sondern Sachverstand regiert."

Alle Texte zur EKD-Synode 2015

finden Sier hier: Übersichtsseite Synode 2015

Am Rande der EKD-Synode in Bremen führte die Protestantin Klage darüber, dass sie verdächtigt wird, sachfremde, nämlich religiöse Überlegungen in ihre politische Arbeit einfließen zu lassen. Der Vorwurf, der dahinter steht: Christliche Maßstäbe haben in der Parlamentsarbeit nichts zu suchen. Christliche Politiker stehen unter Ideologieverdacht.

Evangelische Politiker unter Ideologieverdacht

Solche Töne sind nicht nur seit den Beratungen zum Sterbehilfegesetz zu hören, sondern auch zur Flüchtlingskrise. Auch hier setze die Kirche eigene Ziele und Maßstäbe gegen eine Mehrheit der Gesellschaft durch, sagen Kritiker. Auch die Synode der evangelischen Kirche, die derzeit in Bremen tagt, sieht sich konfrontiert mit den grundsätzlichen Fragen: Wo sind die Grenzen politischer Einflussnahme? Wie viel christliche Ethik vertragen Staat und Gesellschaft? Und auf welche Werte sind sie angewiesen?

Udo Di Fabio, früherer Bundesverfassungsrichter, zudem Rechtsprofessor in Bonn und nun auch Vorsitzender des "Wissenschaftlichen Beirats des Kuratoriums Luther 2017", konnte für die Synode das schwierige Problem aufdröseln, wie in unserer Rechtsordnung Politik und Religion zusammenspielen. Das hat maßgeblich mit der Reformationsgeschichte zu tun, und dieses Thema passt ideal in das Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017.

Ein produktiver Zwiespalt seit Martin Luther

"Martin Luther wollte keinen Beitrag zur weltlichen Rechtsentwicklung leisten und hat es objektiv dennoch getan", sagt Di Fabio. Luther kritisierte vehement den Machtanspruch der Päpste; die Ablassfrage wurde zur Grundsatzfrage des Verhältnisses von Staat und Kirche; seine Lehre von den zwei Reichen stand am Anfang der neuzeitlichen Trennung von Staat und Kirche. Hierin ist die Ambivalenz, der Zwiespalt zwischen beiden Bereichen in der Neuzeit angelegt.

###autor###Und seither geistern gleichsam die stereotypen Vorstellungen durch die Köpfe, in Gottes Reich (und in der Kirche) sollten Gnade und Barmherzigkeit herrschen, im weltlichen Reich (dem der Politik) Strafe und Ernst. Humanität gegen Macht? Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, der die Gefahr aufdämmern sah, Politiker nach Martin Luther pauschal der Inhumanität verdächtigt werden, korrigierte den Juristen behutsam: Auch für den weltlichen Bereich gelte nach Luther die Forderung der Humanität. "Das ist von hoher Relevanz für den Umgang mit den Flüchtlingen heute!", sagte Bedford-Strohm.

Das Gleichgewicht zwischen Staat und Kirche immer neu austarieren

Politisierende Kirche – christliche Politik? Der produktive Zwiespalt bleibt bis heute ein Merkmal des Staat-Kirche-Verhältnisses. Beide Seiten haben ihren Nutzen davon, dass sie mal mit-, mal gegeneinander wirken. Kirchen sind keine politischen Akteure, aber sie äußern sich zu politischen Vorhaben. "Diese Dialektik sollte nicht aufgelöst werden", fordert Di Fabio. "Wir brauchen einen starken säkularen Staat, der die Religionsfreiheit garantiert."

Politik und Gesellschaft werden also weiter mit den politischen Einlassungen der Kirchen leben müssen. Und umgekehrt. Das ist nicht die schlechteste Einsicht im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017: Das Gleichgewicht zwischen Staat und Kirche, zwischen Macht und Ethik auszutarieren, bleibt eine Daueraufgabe. "Es kann keine Trennung zwischen Glaube und Welt geben", hatte schon Rüdiger Sachau, Synodenmitglied und Leiter der Evangelischen Akademie zu Berlin, gesagt.

Die Reformation, ein urreligiöses Ereignis, war ein Ruf in die Freiheit. Und selbst der lässt sich nicht zum Gesetz machen. 

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Ohne Gnade und Barmherzigkeit hätte es wohl nie Begnadigungen im Recht gegeben, hätte man die Schwäche, wie es Hitler und seine Befürworter wollten, hätte der Glaube überhaupt, niemals zwei Tausend Jahre Ewigkeit überdauert. Auch wäre wohl die Todesstrafe nie abgeschafft worden, weil, wer die Stärke liebt, liebt den Schwachen nicht, denn er liebt den Egoismus über alles. Die Kraftmeierei, Herr Kopp, frönt der Gunst der Stunde, und wer Grenzen setzt, frönt der Macht.
"Die Reformation, ein religiöses Ereignis, war ein Ruf in die Freiheit. " Die Welt ist groß, und der Geist Gottes beschränkt sich nicht, glücklicherweise, allein auf die politische Meinung der ev. Kirche. Insofern wären gemässigte Worte viel mehr von Vorteil, als solche radikalen Töne.
Die besten Leute haben Deutschland vor vielen Jahren verlassen, und zwar nicht, weil sie reisen wollten, sondern weil sie Frieden und Entwicklungschancen gesucht haben, statt Macht und Geld. Und viele haben es geschafft, diejenigen, die geblieben sind, haben sich mit ihrem Gewissen für ein freiheitliches Land eingesetzt, abgesehen von denen, die sich vor allem der Wirtschaft und der Vermehrung ihres Geltungsbedürfnisses, ohne große Rücksichten, veschrieben haben. Was sich heute verändert, ist, dass der Tod allen gemeinsam, einen "Strich durch die Rechnung" macht, er raubt die Hoffnung, verhärtet die Herzen und macht blind. Und fördert die Radikalität.
Eine entmystifizierte Welt ist nicht lebenswert. Der Glaube ist kein Märchen, sondern er beruht auf Visionen eines besseren Lebens, also eines Lebens, das auf Hoffnung und Frieden beruht, nicht auf Durchsetzung politischer Ziele zentralistischer Machtgeilheit, egal ob es der Islam ist, die evangelische Kirche, oder ein Zentrales Europa.
Die Welt ist zu groß für so viel Ehrgeiz, und Diktaturen sind schlecht.
Die Flüchtlinge sind einem grausamen Irrtum aufgesessen, und diesen gilt es friedlich und humanitär zu regeln. Die Bedenken der Politiker sind ernst zu nehmen und Zusammenarbeit und Vernunft sind gefordert.
Fazit: Wenn die Reformation ein "unreligiöses Ereignis war " , wie Sie es nennen, dann übertreibe ich nicht, wenn ich behaupte, dass Sie einen " Führer " brauchen ? Was die ev. Kirche betrifft, so ist für mich klar geworden, dass sie in der Tat, einer WEISEN und gemässigten Führung an der Spitze bedürfen, denn mit Kraft und Stärke allein setzt man zu viele Grenzen, und profiliert sich nur. Was ohnehin längst geschieht.
Deutschland ist verloren, wenn man die Entwicklung der Jahre nach dem zweiten Weltkrieg vergießt, oder sie gar verleumdet, und glaubt, in einer rückschrittlichen Entwicklung eine Zukunft zu finden.
So dumm kann heute niemand mehr sein. Auf alle Fälle heißen Mehrheiten in der Politik nicht, dass alle einer Meinung sind. Das war im Kommunismus so, dort war man immer einer Meinung.
Luther hatte, seinerzeit, rigoros Bauernaufstände niedermetzeln lassen, obwohl sie auf seine Unterstützung gebaut haben, er war nicht zimperlich mit seinen Gegnern, Ich frage also, wie lange will man sich die Heiligpreisung seines umstrittenen Geistes noch antun ? Genug der Lüge ! Radikalität ist Unverstand.