Foto: Kadir von Lohuizen / Laif
"Das müssen die sich anhören!"
In Paris beginnen die Verhandlungen für ein Klimaschutz­abkommen. Eine Aussicht auf den Gipfel
Tim Wegner
24.10.2015

chrismon: Seit 1990 sind die Emissionen an Treibhausgasen um mehr als 30 Prozent gestiegen. Warum glauben Sie, dass der mittlerweile 21. Klimagipfel etwas bringen wird?

Cornelia Füllkrug-Weitzel: Der Gipfel hat schon deshalb einen Sinn, weil die ärmsten Staaten, die bereits unter dem Klimawandel leiden, kein anderes Forum auf der Welt haben. Die reichen Staaten müssen sich in Paris anhören, welches Problem sie verursacht ­haben. Auch inhaltlich habe ich Hoffnung.

Warum?

Weil sich alle Staaten verbindlich auf ein Klimaschutzabkommen verpflichten wollen. Das Kyoto-Protokoll von 1997 umfasste nur die Industrieländer. Inzwischen haben Schwellenländer wie China oder Brasilien ihren Energieverbrauch aber derart erhöht, dass sich ­Industriestaaten wie die EU-Mitglieder zu keinen Anstrengungen überreden lassen, wenn nicht gleichzeitig die Schwellenländer ihre Verantwortung erkennen. Und für die armen Länder ist Klimaschutz unglaubwürdig, wenn sie nicht sehen, dass alle anderen vorangehen. 2009 hatte man sich in Kopenhagen zwar darauf geeinigt, die Erd­erwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen – es wurde aber darum gestritten, wer wie viel dafür tun muss. Das Treffen scheiterte. Diese Gefahr sehe ich in Paris nicht, weil die Staaten ihre Reduktionsziele schon jetzt genannt ­haben – zwar nur auf freiwilliger Basis, die Ziele werden also nicht im Abkommen verankert, was völkerrechtlich bindend wäre. Aber die Regierungen müssen sich an ihren Zusagen messen lassen.

Das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, würde mit den bisher angekündigten Einsparungen aber verfehlt!

Wir landeten damit bei 2,7 Grad Erderwärmung – das ist erschreckend zu viel! Aber genau diese Transparenz schafft Druck, noch mehr zu tun, um den Zwei-Grad-Pfad nicht zu verlassen. Europa hat eine große Verantwortung. Leider schafft es die Bundesregierung trotz angekündigter Energiewende nicht, aus der Braunkohle aus­zusteigen. Das kostet viel Glaubwürdigkeit.

Welche Möglichkeiten haben Organisationen wie „Brot für die Welt“, auf die Verhandlungen einzuwirken?

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Wir gehören unter anderem der „ACT Alliance“ an, einem kirch­-lichen Netzwerk mit weltweit 140 Mitgliedern, etwa der „Christian Commission for Development in Bangladesh“. Einfluss nehmen wir, indem wir – zum Beispiel – die deutsche Verhandlungsdelegation mit Vertretern unserer Partner zusammenbringen. Arme Staaten wie Bangladesch haben oft nur zwei Verhandler auf dem Gipfel – allein die US-Delegation umfasst manchmal 200 Leute.

Wir analysieren den Prozess für die Öffentlichkeit, das schafft Druck, kein Staat will ein schlechte Presse haben. Noch ein Beispiel: Die beiden Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon haben die „ACT Alliance“ ermutigt: Wir seien die Einzigen, die das Thema „Loss and Damage“ auf die Tagesordnung gebracht hätten.

„Loss and Damage“ – was ist damit gemeint?

Die Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten. Es gibt Menschen, die Opfer von Klimaschäden werden, die Verluste er­leiden. Es geht um technische Unterstützung, um die Klärung von Umsiedlungsprozessen – und um die Frage, wer dafür die finanziellen Mittel bereitstellt. Das Thema ist für die Verursacher des Klima­wandels tabu, aber sie können sich nicht aus der Verantwortung ­stehlen, sie müssen helfen!

Neben der „Loss and Damage“-Frage brauchen arme Länder Hilfe, um sich den Folgen der Erderwärmung anzupassen – etwa durch höhere Deiche oder dürreresistente Ge­treidesorten. Dafür haben die Industrienationen 100 Milliarden Dollar bis 2020 zugesagt. 70 Milliarden fehlen noch.

Am Ende sagt die westliche Öffentlichkeit: „Prima! Wenn wir uns anpassen können – dann brauchen wir nicht verzichten!“

Das ist eine Milchmädchenrechnung. Wenn wir so weitermachen, bleibt es nicht bei 2,7 Grad. Teile unserer Welt würden unbewohnbar werden. Spätestens dann trifft es auch uns, die wir von den Ressourcen aller Länder leben. Es gibt keine beliebigen Anpassungsmaßnahmen, auch in den reichen Staaten nicht – der Klimawandel entzieht allen Menschen die Lebensbasis.

Muss Klimaschutz Teil der Flüchtlingspolitik werden?

Ja! Die UNO rechnet mit bis zu einer Milliarde Flüchtlinge im Jahr 2050, weil Menschen keine Zukunft in ihrer Heimat haben. Die Vorboten sind unübersehbar: Vor 1980 gab es in Äthiopien alle zehn Jahre eine große Dürre – nun alle zwei bis drei Jahre. 

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