Kurdische Anhänger feiern Wahlergebnisse
Anhänger der HDP feiern positive Wahlergebnisse
Foto: Osman Orsal / Reuters
Bloß nicht zündeln!
Türkische Politiker gefährden ihr Land. Sie sollten von den Tunesiern lernen
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
24.10.2015

Die politische Entwicklungen in der Türkei und in Tunesien könnten unterschiedlicher nicht sein. In der Türkei zerfleischen sich Regierung und Opposition und drohen, das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen. In Tunesien reden Regierung und Opposition – und konnten einen Bürgerkrieg abwenden.

In der Türkei hetzt die regierende AKP gegen die kurdenfreundliche Oppositionspartei HDP, unterstellt ihr Terrorismus und hofft bei der Parlamentswahl am 1. November auf Stimmengewinn. Die HDP keilt zurück, die AKP sei für die Attentate von Diyarbakır (im Juni), Suruç (im Juli) und Ankara (im Oktober) mitverantwortlich. Es waren Attentate nach dem gleichen Mus­ter: Selbstmörder richten ein Blutbad unter liberalen Bürgern an, darunter viele Kurden, und niemand bekennt sich. Stets war unter den Verdächtigen die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS). Keines der Attentate wurde aufgeklärt.

Richtig ist: Die regierende AKP hat geduldet, dass der IS in der Türkei Nachschublinien für den Krieg in Syrien aufbaut und so über ein Netz von Hintermännern in der Türkei verfügt. Der IS sollte Syriens Diktator und die kurdischen Rebellen gleichzeitig bekämpfen. Nun wendet sich – wie es scheint – das Monster gegen die Türkei und sät auch dort Gewalt.

In Tunesien macht man aus wenig viel

In Tunesien zeigt sich das gegenteilige Bild: keine funktionierende Demokratie, dafür Regierungs- und Oppositions­politiker, die miteinander reden, um das Land vor Chaos zu ­bewahren. Ein Quartett aus Gewerkschafts- und Arbeitgeberverband, Menschenrechtsliga und Anwaltskammer hat sie dazu genötigt – und dafür den Friedensnobelpreis bekommen.

Dabei ist Tunesien ein zutiefst verunsichertes Land. Kein ein anderes Land der arabischen Welt bringt mehr dschihadistische Terroristen hervor. Die Jugend ist enttäuscht, dass die ältere Generation ihr kaum Lebenschancen lässt. Die ländliche Bevölkerung hat noch keinen Vorteil aus der Arabellion von 2011 gezogen, die Reichen haben ihre Pfründe über die Revolution gerettet. Militante Islamisten vertreiben mit Attentaten die Touristen, die Haupteinnahmequelle des Landes.

Die tunesischen Politiker machen aus dem Wenigen, was sie haben, erstaunlich viel. Türkische Politiker sollten ruhig mal von den Tunesiern etwas Kompromissbereitschaft lernen. 

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.