Foto: Werner Krüger / epd-bild
"Immer weniger sind für den ärztlich assistierten Suizid"
Vermutlich im Herbst wird der Bundestag über ein Gesetz zur Sterbehilfe entscheiden. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben, für die über 2000 Menschen befragt wurden.
01.07.2015

chrismon: Warum eine Studie zur Sterbe­hil­fe?

Gerhard Wegner: Wir waren unzufrieden mit den bisherigen Umfragen, weil wir sie sehr abstrakt fanden. Wir wollten genauer wissen, wovor die Menschen Angst haben, wenn es um das Sterben geht. Und wir wollten wissen, wie sich die Angst auf die Meinung zu einer ganz bestimmten Frage auswirkt: Sollte es einem Arzt erlaubt sein, mir ein Medikament zu verschreiben, mit dem ich mein Leben beenden kann?

Und was kam dabei heraus?

Diejenigen, die am meisten Angst haben, sind auch gleichzeitig die Befürworter des ärztlich assistierten Suizids. Sie fürchten sich zum Beispiel davor, unter starken Schmerzen leiden zu müssen und anderen zur Last zu fallen. Das heißt im Umkehrschluss: Je menschlicher wir den Sterbe­prozess gestalten, desto weniger fragen die Menschen nach Sterbehilfe. Interessant ist auch: Es sind vor allem die Jüngeren, die sagen: Der assistierte Suizid sollte erlaubt sein. Die Älteren sind da schon viel verhaltener. Und die über Achtzigjährigen sind mehrheitlich dagegen.

Haben Sie weitere Erkenntnisse gewonnen?

Ja. Aus unserer Studie kann man folgern: Immer weniger Menschen sind für den ärztlich assistierten Suizid. Bei uns waren es nur 63 Prozent. Das ist zwar immer noch eine Mehrheit, aber die kleinste, die es bisher in den Umfragen gab.

Woran liegt das?

Die kritischen Stimmen, die vor einer rechtlichen Freigabe des ärztlich assistierten Suizids warnen, nehmen zu. Zwei Drittel der Befürworter und der Gegner sind sich einig, dass eine rechtliche Freigabe auch negative Effekte haben würde: Der Druck, sich für Sterbehilfe zu entscheiden, wird steigen, wenn man glaubt, der Familie zur Last zu fallen.

Was muss sich ändern?

Wir brauchen eine erheblich bessere Betreuung der sterbenden Menschen, damit sie weniger Angst haben. Das ist entscheidend. Dann stellt sich diese quälende Alternative nicht mehr so stark, durchzuhalten oder frei­willig aus dem Leben zu scheiden.

Wie wird der Bundestag entscheiden?

Ich rechne mit einem Verbot des assistierten Suizids, aber Ausnahmen werden zugelassen.

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