Klopapier mit dem Konterfei Putins in Kiev
Ein sehr spezielles Souvenir aus Kiew: Klopapier mit dem Konterfei von Wladimir Putin
Foto: Krupar/laif
Pfarrfrau Charis Haska mit einer E-Mail aus Kiev
10.02.2015

Ich mag das kleine Geschäft in der fins­teren Passage unter dem Maidan. In dem winzigen Schaufenster hängen farbenprächtig bestickte Kleider, Leinenruck­säcke, Handtaschen. Heute bleibt mein Blick an einer ungewöhnlichen Wyschiwanka für Herren hängen. Wyschiwankas sind weiße Hemdblusen mit traditionellen Stickereien in Rot und Schwarz. Diese aber leuchtet in Blau und Gelb – den Farben der Ukraine und des proeuropäischen Maidan-Aufstandes. Neben anderen Orna­menten erkenne ich das ukrainische Staatswappen, in dem die kyrillischen Buchstaben für ­„Volia“ (Freiheit) kunstvoll zusammengezogen sind. Das ist mehr als deutlich. Schon in sowjetischen Zeiten, als Äußerungen des Nationalgefühls unerwünscht waren, wurden Wyschiwankas als Bekenntnis zur Ukraine getragen.

An meine Seite ist eine ältere, kurz­haarige Frau getreten. Sie murmelt mir zu: „Ist das angenehm, ist das angenehm!“ Als ich etwas verwirrt schaue, setzt sie hinzu: „Verstehen Sie? So sehr man ihm auch wünschen muss, dass er endlich abkratzt – ich bin Putin so dankbar, dass er uns geholfen hat, unsere Identität zu finden!“ In Kiew hat Putin kaum noch Freunde. In den Souvenirläden des prachtvollen Kreschtschatik-Boulevards gibt es Klopapier mit dem Gesicht des russischen Präsidenten. Und eine Süßwarenfirma verkauft ihn als Schokoladenfigur mit Hörnern und Teufelsschwanz.

###autor### Zugrunde liegen dem vor allem Schmerz und Beunruhigung darüber, dass es Putin gelungen ist, zwei verbrüderte Völker zu entzweien. Fast jede zweite ukrainische Familie hat Verwandte in Russland. Viele berichten, dass sie von diesen jetzt als ­Faschisten und Banderowzi – Anhänger des umstrittenen Nationalisten Stepan Bandera – beschimpft werden. Oder aufgefordert werden, nach Russland zu immigrieren. Die Ukrainer kenne ich eigentlich als demütiges und duldsames Volk. Für sie ist es ein großer und schmerzhafter Schritt, sich von dem Mythos des verklärten „Sojus“ – der Sowjetunion – zu lösen.
 

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Eine Pfarrersfrau, man möchte ihr zurufen, Schuster bleib bei deinen Leisten, "funkt" aus Kiew und verwechselt, ganz Mainstream, Ursache mit Wirkung: "In den Souvenirläden des prachtvollen Kreschtschatik-Boulevards gibt es Klopapier mit dem Gesicht des russischen Präsidenten. Und eine Süßwarenfirma verkauft ihn als Schokoladenfigur mit Hörnern und Teufelsschwanz. (...) Fast jede zweite ukrainische Familie hat Verwandte in Russland. Viele berichten, dass sie von diesen jetzt als ­Faschisten und Banderowzi – Anhänger des umstrittenen Nationalisten Stepan Bandera –" beurteilt werden. Das stört sie. Der ukrainische Nationalismus, über den im Westen gern bagatellisierend hinweggesehen und der zum "Nationalstolz" verklärt wird (so auch hier), hat sich tief eingefressen in die Seele vieler Westukrainier. Die Pfarrersgattin gabelt auch eine alte Frau auf, die ihr böse ins Ohr zieschelt: "Verstehen Sie? So sehr man ihm auch wünschen muss, dass er endlich abkratzt – ich bin Putin so dankbar, dass er uns geholfen hat, unsere Identität zu finden!" Kein böses Wort der Pfarrersfrau über den menschenverachtenden Haß, der bei der Alten überbordend überschwappt. Wo bleibt die christliche Nächstenliebe?