chrismon: Sie wollen sich im neuen Amt den Themen Armut und Ungleichheit widmen. Warum?
Ulrich Lilie: Die Sozialgesetzgebung betont die Verantwortung des Einzelnen, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Das ist im Sinne der Subsidiarität auch gut. Dieses Prinzip besagt, dass eine Aufgabe möglichst von jedem selbst gelöst werden soll, ehe man nach dem Staat ruft. Aber ein Mensch muss überhaupt erst mal die faire Chance haben, sein Leben zu gestalten.
Was meinen Sie damit?
In Deutschland sind bis zu drei Millionen Kinder akut von Armut betroffen. Und diese Armut wird vererbt, das heißt, dass diese Kinder später als Erwachsene vermutlich auch nicht zu den Menschen gehören, die an der Gesellschaft teilhaben. Wir sagen schon diesen Kindern: „Du bist hier nicht gewollt.“ Auch andere – Alleinerziehende, Migranten und Langzeitarbeitslose – verlieren den Anschluss. All diese Entwicklungen haben Altersarmut zur Folge. Diese Entwicklung können wir als Christen nicht hinnehmen.
Was kann die Diakonie dagegen tun?
Wir sind Impulsgeber für die Politik. Statt Langzeitarbeitslosigkeit zu finanzieren, schlagen wir vor, das Geld in Zuschüsse für eine aktive, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu investieren. So finden Menschen, die lange ausgeschlossen waren, wieder Arbeit und Teilhabe. Erste Erfahrungen bestärken uns in dieser Idee.
Was nehmen Sie aus Ihrer Arbeit als Pfarrer mit nach Berlin?
Die Erfahrung, dass unsere Kirchengemeinden ein Schatz sind. Gemeinsam mit den Mitarbeitern der Diakonie können Ehrenamtliche aus den Gemeinden viel erreichen, etwa als Mentoren für benachteiligte Kinder.
Ulrich Lilie Diakonie-Präsident
"Was sich der Theologe Ulrich Lilie als neuer Diakonie-Präsident vorgenommen hat", das wollte ich gerne wissen. Das Vorhaben ist riesig, die operativen Schritte die im Interview geäußert werden, aber kaum wahrnehmbar. "Die Erfahrung, dass unsere Kirchengemeinden ein Schatz sind", ist als Interview-These ein wahres Schätzchen.
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