Foto: Bernd Prigge
Die deutsche Auslandsgemeinde beherbergt einen Flüchtling in einer Sakristei
26.05.2014

Anfang April rief uns der Pastor Hans-Gerd Paulus aus Niedersachsen an und bat um Hilfe. Ein guter Freund, der Musiker Arnaud Touvoli, sei in einer nächtlichen Aktion abgeschoben worden und lebe nun in Venedig auf der Straße.
Ich nahm den 25-Jährigen, der von der Elfenbeinküste kommt, zunächst in meiner Wohnung auf. Er hatte nur einen kleinen Rucksack dabei und kaum Kleidung zum Wechseln. Dann zog er in die Sakristei unserer Kirche. Unsere kleine 100 Mitglieder zählende Gemeinde bemüht sich täglich um eine bessere Lösung.

Doch sowohl in Venedig als auch in der Provinz Padua bestehen keine Aussichten auf einen Platz in einem Flüchtlingsheim. Die Unterkünfte sind restlos überfüllt. Neue zu schaffen, hat angesichts der Finanzkrise keine Priorität. Die Zeitungen berichten immer wieder, wie die wirtschaftliche ­Lage Menschen in den Selbstmord treibe. Flüchtlinge haben keine Lobby, und Afrikaner stehen schnell unter Generalverdacht, auch in einer Stadt wie Venedig, die täglich 60 000 Touristen aufsuchen: Als unser Gast einmal nächtens an der Kirchentür stand und sie aufschließen wollte, kam prompt die Polizei und nahm ihn mit.

Touvoli, der im Bürgerkrieg einen Großteil seiner Familie verlor, lebte knapp ein Jahr in Niedersachsen. Der Musiker war Mitglied der deutsch-afrikanischen Trommelgruppe Trokiwa, die Hans-Gerd Paulus leitet. Der Pastor und seine Frau wurden so etwas wie Ersatzeltern für den jungen Mann. Touvoli wollte in Deutschland Asyl beantragen. Nach dem Dublin III-Abkommen ist aber Italien für ihn zuständig, da er hier das erste Mal europäischen Boden betreten hatte – in Rom am Flughafen.
Laut Gesetzeslage dürfen Flüchtlinge ausschließlich in Länder abgeschoben ­werden, in denen es ausreichende Strukturen zur Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden gibt. In Italien ist das eindeutig nicht der Fall, das mussten wir nun selbst erfahren. Italien war selbst lange nur Auswanderungsland. Mit der jetzigen Einwanderungswelle kann es nur schwer umgehen.

Die Trommelgruppe Trokiwa, zu der Touvouli gehörte, wurde übrigens noch vor seiner Abschiebung für den niedersächsischen Integrationspreis Zuflucht Niedersachsen vorgeschlagen und bekam eine Einladung zur Preisverleihung am ­23. Juni nach Hannover. Touvoli wird nicht dabei sein. Das Ehepaar Paulus hat jetzt eine Petition gestartet, um ­seine Rückkehr zu erwirken.

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