Charlie Shoemaker/Redux/laif
Fahnen auf Halbmast, der Vater der Nation, Nelson Mandela, ist tot. Eine E-Mail aus Südafrika.
06.12.2013

Nie war die Stimmung in unserer Kirche so gedrückt wie heute morgen während unserer Wochenschlussandacht! Seit 6 Uhr in der früh hängen die drei Fahnen unseres Zentrums auf Halbmast. Seither wissen die meisten Bescheid: Nelson Mandela ist tot! Der Vater der Nation, den hier alle liebevoll bei seinem Clannamen, Madiba, nennen. In unserer Gemeinde herrscht Schock und Trauer, aber nicht nur. Wir sind auch dankbar, dass sein langes Leiden ein Ende hat.

Als ich 1985 als Austauschpfarrer des Berliner Missionswerkes nach Südafrika kam, war Nelson Mandela noch im Gefängnis. Sein Name durfte in den Medien nicht genannt werden. Der ANC war verboten, die Apartheid war auf ihrem Höhepunkt, es herrschte Ausnahmezustand. Dass sich diese Situation jemals ändern würde, hat damals kaum einer zu träumen gewagt. Und mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass ich den späteren Friedensnobelpreisträger persönlich kennenlernen würde.

Neun Jahre später stand ich dem hochgewachsenen Nelson Mandela gegenüber, schüttelte seine Hand und konnte mit ihm ein paar Worte wechseln. Für mehr war keine Zeit. Vor seiner Tür standen die Präsidenten dieser Welt Schlange, doch er hatte sich für einen vergleichsweise unbedeutenden Pastor ein paar Augenblicke Zeit genommen. Das machte den größten Sohn Afrikas aus: Er blieb bis zu seinem Lebensende ein Mann des Volkes. 27 Jahre hatte für die Gleichheit für alle im Gefängnis verbracht. Für dieses Ideal lebte er auch persönlich. Ihm ist es zu verdanken, dass es in Südafrika zu keinem Blutvergießen kam. Unermüdlich predigte er Vergebung und Versöhnung, damit die verschiedenen Bevölkerungsgruppen Südafrikas zu einer Nation zusammenwachsen.

Nun bleibt nur zu hoffen, dass dieser Nachlass nicht von jenen Kräften zerstört wird, deren Stimmen schon heute, Stunden nach seinem Tod, auch in unserer Armensiedlung zu hören sind und die eine neue Welle der Ausländerfeindlichkeit anstacheln wollen. Lasst uns in unserem persönlichen Leben Madibas Vorbild folgen und Vergebung und Versöhnung leben, habe ich heute in der Predigt gesagt. Mögen diese Worte lange nachwirken.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.