Zehntausende demonstrieren gegen hohe Strompreise. Legen Innenstädte lahm, schmeißen Steine gegen das Parlament, blockieren Autobahnen. Der Finanzminister tritt zurück. Zwei Tage später die gesamte Regierung. Ministerpräsident Boiko Borrisov lehnt alle weiteren Verhandlungen ab: „Ich will euch nicht länger hören!“, ruft er seinem Parlament zu. Das war Ende Februar, die Proteste gingen weiter, nun stehen wir vor den vorgezogenen Neuwahlen.
Dass sich die Ereignisse so überschlugen, damit hat keiner gerechnet, am allerwenigsten die Demonstranten. Doch im Grunde ging es nie nur um unbezahlbare Energierechnungen. Im Volk gärt es. Bulgarien hat tausend Probleme. Die geringen Renten, die hohe Arbeitslosigkeit, die steigenden Lebensmittel- und eben Strompreise. Die Wut und Aggression entladen sich letztlich gegen 23 Jahre Nach-Wende-Politik, in der, wie Kritiker sagen, die Regierenden immer für Gesetze gesorgt haben, die sie selbst reicher und die Armen ärmer machten.
Ebenso negativ sehen viele Menschen die EU-Mitgliedschaft. Die Einführung des Euro wird immer weiter verschoben. Laut einer Umfrage von 2011 wollen 54 Prozent der Bulgaren ihre Währung, den Lew, behalten. Nicht unbegründet ist die Angst vor dem Einfluss europäischer Konzerne auf den einheimischen Markt. Lidl und Kaufland-Filialen etwa schießen hier wie Pilze aus dem Boden, kleine bulgarische Lebensmittelläden sind verschwunden.