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Moderne Mission
Wie missionarisch darf die Kirche sein? Sollte sie eher vornehm zurückhaltend für ihre Sache werben? Oder offensiv? In einer modernen Gesellschaft gelten ganz eigene Regeln
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
13.10.2011

Es gibt TV-Werbespots, die innerhalb kürzester Zeit Kultstatus erreichen. Die Spot über neue Elektroherde gehören dazu. Da streift Gemüse, zum ­Anbeißen frisch, vor den Augen der Betrachter vorbei, das Ceranfeld des Herdes leuchtet rot auf, der Panzer eines Hummers für die Bouillabaisse zerbricht – und während sich die Iris des Auges lustvoll verkleinert, stellen sich, alles in Nahaufnahme, die Härchen auf den Armen des Kochs auf. Noch bevor das Logo des Elektrokonzerns auftaucht, ist der Zuschauer gewonnen, durch eine Werbung, die Emotion, Lust, Erlebnisse verheißt.

Unvorstellbar, dass sich die Kirchen auf ähnliche Weise an die Öffentlichkeit wenden würden: mit einem schnellen, ­klaren Versprechen auf Glück. Einem Versprechen der Art: Wer AEG kauft, der kauft Genuss pur. Wer unser Mineralwasser trinkt, ist Teil einer frohen, freien Gemeinschaft lebenslustiger Menschen. Wer unser Auto fährt, in dessen Leben fügt sich alles so reibungslos und perfekt zusammen wie die zahlreichen Bauteile, die im TV-Spot eine unsichtbare Hand im Schnelltempo montiert.

Mission bedeutet "Sendung"

Auf solche Weise werben können die Kirchen aus einem einfachen Grund nicht: Ob jemand Glück und Segen in der Kirche findet, hängt nicht von der Perfektion des Angebots,  sondern von jedem Menschen selbst – und von Gott ab.

Wie missionarisch darf Kirche sein? Unbegrenzt. Es ist ihr Kernmerkmal: Mission bedeutet „Sendung“. Nach den Berichten der Evangelien erschien Jesus nach seiner Auferstehung seinen Anhängern  und trug ihnen auf: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes...“ (Matthäusevangelium, Kapitel 28). Diese Aufforderung wird ­traditionell als „Missionsbefehl“ Jesu bezeichnet. Zu den Menschen zu gehen, ­ihnen die Botschaft vom Reich Gottes zu überbringen, in dem jeder zu seinem Recht kommt, das ist die Aufgabe der Kirche.

"Ohne Gewalt, sondern durch das Wort"

Vorbei ist die Zeit, in der Mission verknüpft war mit religiösem Zwang und ­barocker Strafpredigt, mit Kolonisation. Zum Glauben, so forderten schon die Reformatoren, sollte man niemanden zwingen – ein Grundsatz, der im Augsburgischen Bekenntnis von 1530 seinen Niederschlag fand: Die Weitergabe des Glaubens muss „sine vi, sed verbo“, also „ohne Gewalt, sondern durch das Wort“ erfolgen. Auch für die Pädagogik in kirchlichen Schulen hat das eine große Bedeutung. Heute ist Kirche eine einladende Kirche – auch wenn sie manchmal hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Sie geht den Menschen nach, wirbt um sie. Sie zeigt ihnen durch ihre ­Präsenz in Kindertagesstätten und Schulen, in Krankenhäusern und Altenheimen, in wissenschaftlichen Instituten und Universitäten, wie wichtig ihr die Menschen in ihren jeweiligen Lebensbezügen sind.

Eine „einladende Kirche“ belagert andere Menschen nicht mit ihrer Botschaft, aber in ihr geben die Menschen offen darüber Auskunft, was für sie wichtig ist und was sie zum Handeln motiviert. Hier tauschen sich Menschen über ihre Lebens- und Glaubenserfahrungen aus und ver­suchen, andere dafür zu interessieren. Solche Mission ist nicht nur eine Sache der Worte, sondern auch des beispielhaften Handelns.  Eine unerwartete Hilfe für Nach­barn, eine liebevolle Betreuung von Kindergartenkindern, eine behutsame Pflege im ­Krankenhaus, ein verantwortungsvoller Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen: All dies kann Menschen einen Eindruck davon vermitteln, was Christen wichtig ist. 

Es ist heute Konsens, dass Mission nur „dialogisch“ sein darf, dass die, die ihre ­Botschaft anbringen, persönlich bereit sein müssen, sich anderen Ansichten zu öffnen. Der Typus des Missionars, der unbeirrt sein eigenes Programm ohne jeden Abstrich und ohne Blick auf die Lebens­situation der anderen zur Geltung bringen will, wird scheitern.  Die Kirche der Zukunft wird plural sein: In ihr werden die Glaubenserfahrungen der vielen integriert. Eine missionarische Kirche zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie souverän die vielen Fäden zusammenknüpft.

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Zitat: „Ob jemand Glück und Segen in der Kirche findet, hängt nicht .... sondern von ... und von Gott ab.“ - Häh?- Gott ist launischer Glücks und Segensspender? Der/Die eine kriegst – der/die andere/n in den Arsch getreten? So wie Gott gerade drauf ist? In so was soll man dann nach der Mission der abgespalteten Luther-Teilkirche auch noch eintreten? -http://de.wikipedia.org/wiki/Religionen_der_Welt -- Ich dachte immer: Gott ist Glück und die Liebe selbst und kann nicht anders als Glück schenken und segnen, immer und allen (Gott ist Liebe). Und braucht keine christliche Kirche, weil er alle Menschen des Planeten (und die der anderen bewohnten Welten) ohne Unterschied liebt. -- Bitte übersenden Sie mir den Kriterienkatalog, nachdem Gott Glück und Segen verteilt und wo das evangelische Zertifikat dafür vorgelegt werden muss. Es sei, Gott entscheidet nach blanker Willkür, wie Sie schreiben. Dann dürfte auch Mission eine je persönliche Liebhaberei mit fragwürdigem Sinn sein. – Schrumpft die evangelische Kirche (außer den Pfingstgemeinden) oder wächst sie? Nach Gottes Laune? Die Juden missionieren nicht. Sind die deshalb dumm?