Baris Onal
Der Deutsche Bundestag will die Präimplantationsdiagnostik neu gesetzlich regeln. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland tritt für ihr Verbot ein.

Portrait Eduard KoppLena Uphoff
15.02.2011

Es ist ein ernstes Wort, das das oberste Leitungsgremium der Evangelischen Kirche, der Rat der EKD, zu den geplanten Gesetzesänderungen bei der PID (Präimplantationsdiagnostik) gesprochen hat. Aus vielerlei Gründen bleibt die Kirche bei einem grundsätzlichen Nein und ergreift damit eindeutig Position zu den gegenwärtigen Beratungen im Deutschen Bundestag. Dort stehen drei Gesetzesentwürfe zur Diskussion, die von der konsequenten Ablehnung von PID bis zu einer liberalen Praxis reichen.

Im Jahr 2003 hatte sich die Kirche klar gegen eine Zulassung der PID ausgesprochen. Der Ratsvorsitzende und rheinische Präses Nikolaus Schneider setzte sich vor wenigen Monaten mit Hinweis auf die Nöte der betroffenen Eltern dafür ein, neu über die PID zu beraten. Die Auffassungen in der Kirche gehen da durchaus auseinander. Einer der Differenzen: Wann beginnt menschliches Leben, mit der Verschmelzung der Ei- und Samenzelle oder mit der Einnistung des befruchteten Eies? Präses Schneider hatte, anders als zum Beispiel die lutherischen Kirchen in Deutschland, zu erwägen gegeben, ob der „volle Rechtsschutz“ des Embryos erst mit der Einnistung einzuräumen sei.

Der Mensch ist nicht sein eigener Schöpfer

Die Kirche führt in ihrer neuen Erklärung nun einerseits ihre grundsätzlichen ethischen, andererseits ihre medizinischen Bedenken gegen die PID an. Sie verweist auf das christliche Menschenbild: Dass der Mensch nicht sein eigener Schöpfer ist, sondern dass sich alles Leben Gott verdankt. Dass jeder Mensch „zum Gegenüber Gottes geschaffen“ sei und deshalb eine unableitbare, nicht verzweckbare Würde habe. Menschliches Leben ist nicht verfügbar – diese Haltung ist die Kernaussage der Erklärung.

Dabei würdigen die Verfasser mit großem Ernst die seelischen Nöte der Eltern, die sich auf ein Kind freuen, aber mit seiner Behinderung rechnen müssen. Die Erfahrung von Fehl- oder Totgeburten, so heißt es in dem Text, kann erdrückend, oft traumatisch sein. Zugleich gibt es aber auch die Freude der Eltern über ihr behindertes Kind, ihre hingebungsvolle Sorge, ihr gemeinsames Leben, das beide Seiten beglückt.

"Lebenswert" oder "lebensfähig" - das ist sprachlich und ethisch ein großer Unterschied

Es spricht für die Verfasser, dass sie äußerst vorsichtig mit dem Begriff „lebenswert“ umgehen. Ausnahmslos setzen sie dieses Wort, das vor allem seit dem „Euthanasieprogramm“ der Nationalsozialisten einen üblen Klang hat, in Anführungszeichen. Stattdessen sprechen sie von Lebensfähigkeit und Lebensunfähigkeit des Embryos. Das ist ein Riesenunterschied, in der Terminologie wie in der ethischen Beurteilung. Es setzt an die Stelle der Überlegung, ob ein Mensch mit bestimmten Eigenschaften als wünschenswert zu sehen ist, die Frage, ob der Embryo bereits im Mutterleib überleben kann. Wenn bei den Eltern eine genetische Veranlagung vorliegt, dass es bereits als Embryo stirbt, so „könnte die Möglichkeit eingeräumt werden, die PID zuzulassen“. Das allerdings ist nicht eine Meinung des gesamten Rates der EKD, sondern einiger seiner Mitglieder.

In dieser schwierigen Materie hat der Rat gut evangelisch votiert. Er macht sich für das menschliche Leben stark, auch wenn dieses Leben ganz schwach sein sollte. Er wirbt aus guten religiösen Gründen für Respekt gegenüber jedem Geschöpf Gottes, dem betroffenen Leben in den frühesten Anfangsstadien ebenso wie den Eltern, die sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der PID auseinandersetzen. Der Rat richtet seinen Blick aber auch auf die möglichen sozialen und medizinischen Folgen und warnt vor einer schleichenden Ausweitung der PID. Die Legalisierung von PID könne „auf den Irrweg führen, ein planbares, gesundes, erfolgreiches Leben zum Maßstab und Vorbild eines erfüllten Lebens zu machen“.

Bis zur Sommerpause will der Deutsche Bundestag das neue Gesetz zur PID verabschiedet haben. Es ist gut, dass die Kirche den Blick aufs Ganze gerichtet hat: auf die Würde des Lebens von Anfang an. Medizinische Fachurteile werden in den Beratungen des Parlaments noch zu Genüge zu hören sein. Sie können und dürfen aber nicht den alleinigen Ausschlag geben, welches Gesetz in Deutschland in Zukunft greift.
 

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