Tobias Stâ§bler
Wie kann man Krieg verhindern?
Die Ideen von Lotta*, acht Jahre:
Man muss den Leuten sagen: Mit einem Krieg macht ihr die ganze Welt kaputt, und das ist gar nicht gut! Wenn sich die Chefs der Länder mal streiten, dann müssen die sich eben immer wieder vertragen. Manchmal, wenn meine Freundin Smilla und ich uns zanken, dann passiert kurz darauf durch Zufall etwas Witziges. Dann lachen wir beide und sind wieder Freunde.
Wenn nichts Lustiges von selbst passiert, erzähle ich ihr einen Witz. Einen findet Smilla besonders komisch: Dick und Doof gehen zum Bäcker. Doof wartet draußen, Dick geht rein und sagt: Ich möchte bitte hundert Brötchen. Der Verkäufer sagt: Sind Sie doof? Und Dick antwortet: Nein, Doof wartet draußen vor der Tür!
Professor Dr. Ewald Frie, Direktor des Seminars für Neuere Geschichte an der Universität Tübingen, meint:
"Hört auf damit, ihr macht die ganze Welt kaputt!" Das ist Lottas Appell an die Erwachsenen. Sie sollen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Damit hat sie völlig recht. In dieser Pflicht stehen nicht nur Politiker, die in einer Krisensituation verhandeln. In einer Demokratie zumindest liegt sie auch bei der Bevölkerung. Die Bürger müssen diesen Aufruf im Ernstfall an die Politiker richten.
Lottas Strategie, ihrer Freundin nach einem Streit einen Witz zu erzählen, ist sehr gut: Sie schafft damit etwas Gemeinsames und Positives, das den Streit überlagert. Politiker tun das auch. Viele beschreiben in ihren Memoiren, wie wichtig es ist, auch in Konfliktsituationen eine angenehme und konstruktive Atmosphäre für Gespräche zu erzeugen. Ein Witz an der richtigen Stelle kann viel dazu beitragen. Humor ist ein diplomatisches Mittel – sofern das Thema eines Treffens nicht so ernst ist, dass er unangemessen erscheint.
Wohin mit dem Atommüll?
Die Ideen von Nils und Jeremiah, beide sieben Jahre:
Man könnte den Atommüll mit einer Rakete zur Sonne schießen. Dort würde er dann verglühen. Denn die Sonne ist mindestens fünf Milliarden Grad heiß! Aber Raketen können abstürzen. Deshalb müsste es eine Rakete mit zwei Hüllen sein. Wenn die abstürzt, geht nur die äußere Schicht kaputt und nicht die innere mit dem Atommüll. Und dann baut man außen an die Rakete zur Sicherheit noch Airbags und Fallschirme. So fällt sie langsam, falls sie abstürzt, und der Atommüll fliegt nicht raus.
Man könnte den Atommüll auch im Erdkern verbuddeln. Dazu muss man mit großen Maschinen einen langen Tunnel dahin graben. Und dann steckt man den Atommüll in den Erdkern hinein. Dort kann der Müll bleiben, ohne dass Strahlung zu uns nach oben kommt. Allerdings ist um den Erdkern herum eine Eisenschicht. Da müsste man erst mal durchgraben. Und dann, wenn der Atommüll im Erdkern ist, müsste man ein paar Tausend Tonnen Eisen wieder draufkippen.
Professor Dr. Heinz Clement, Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Tübingen, meint:
Den Atommüll zur Sonne zu schießen, ist im Prinzip eine gute Idee. Denn die Sonne zieht Materie an. Man müsste der Rakete also nur einigermaßen die Richtung zu dem Himmelskörper vorgeben. Die Sonne ist tatsächlich so heiß, dass der Abfall verglühen würde. Ihre Oberfläche hat eine Temperatur von etwa 5000 Grad Celsius.
Aber es gibt eine Gefahr: Sollte die Rakete aufgrund von technischen Problemen innerhalb der Erdatmosphäre explodieren, würden sich die radioaktiven Stoffe über das Wetter auf der Erde verteilen. Radioaktive Strahlung würde zwar nicht geballt an einer Stelle auftreten, für Mensch und Umwelt könnte das aber unvorhersehbare Folgen haben. Vermutlich würde auch nicht der gesamte Atommüll in der Atmosphäre verglühen. Reste könnten dann irgendwo auf die Erde stürzen.
Atommüll zu vergraben ist auch eine Möglichkeit. Das macht man auch schon, häufig in Salzstöcken. Den atomaren Abfall durch einen Tunnel bis zum Erdkern zu bringen, ist technisch aber leider nicht möglich. Bis zur Erdmitte sind es etwa 6000 Kilometer. Bei der weltweit tiefsten Bohrung hat man nach 30 Kilometern aufgeben müssen. Da unten ist einfach zu viel hartes Urgestein.
Wie sollte Kirche sein, damit mehr Menschen kommen?
Die Ideen von Jasper, zehn Jahre:
Es wäre schön, wenn Kirchen nicht so große Klötze aus Steinen wären, die einen manchmal einschüchtern. Die könnten viel netter aussehen. Wenn man eine Kirche neu baut oder umbaut, könnte man sie von draußen fröhlicher und einladender machen. So dass man richtig Lust bekommt, da reinzugehen. Vielleicht kann man sie gelb streichen. Und sie sollte ein Glaskuppeldach und überall große Fenster haben, damit viel Licht reinkommt und man drinnen nicht so bei Kerzenschein im Dunkeln sitzt.
Statt der großen Glocke, die meistens im Turm versteckt ist, fände ich ein Glockenspiel toll, das außen angebracht ist. Dann sieht man draußen, wie die Glocken schwingen. Ein Glockenspiel macht auch keinen so dumpfen Ton wie eine große Glocke – es hat helle, freundliche Töne. Auch in der Kirche könnte es fröhlicher zugehen. Mit den Kindern könnte man mehr spielen oder basteln. Es muss sich auch nicht immer alles im Kirchengebäude abspielen. Ich könnte mir ein Grillfest vorstellen, bei dem die Leute nach dem Gottesdienst zusammenkommen und gemeinsam essen und reden.
Pfarrer Jürgen Schilling vom Projektbüro Reformprozess der Evangelischen Kirche in Deutschland:
Jaspers Vorschläge, wie die Kirche als Gebäude aussehen könnte, finde ich sehr gut. Ich denke, er wünscht sich darüber hinaus Veränderungen in der Architektur des Gemeindelebens. Natürlich sieht er nur einen Teil der Wirklichkeit. Denn auch in seiner Gemeinde gibt es sicher nicht nur dumpfe Glockentöne, sondern auch lebendige Familiengottesdienste und fröhlich-bunte Sommerfeste. Mit allen Sinnen erfahren, wie freundlich der Herr ist – dafür den Raum zu bereiten, das gehört zum Auftrag der Kirche.
Aber vielleicht sollten wir die großen "Klötze aus Steinen" tatsächlich noch öfter verlassen und Kirche woanders feiern: im Grünen mit Grillfest, auf dem Sportplatz mit Spiel und Spaß, am Flussufer unter dem Sternenhimmel. Auch in der Kirche liegen Bausteine bereit, die der Freundlichkeit des Herrn breiten Raum geben. Aber es muss nicht alles anders werden. Neben den Ideen, die aus alten Mauern herausführen, dürfen wir unseren Kindern auch unsere traditionellen Formen zumuten. In einer Welt, in der so viel Bewegung ist, kann die Stille einer Kirche richtig spannend sein.
Wie können alle Menschen auf der Welt genug zu essen haben?
Die Idee von Katharina, sechs Jahre:
Es können nur dann alle genug zu essen haben, wenn man teilt. Wir müssen Essen abgeben, weil wir sehr viel davon haben. Am besten packt man Tausende Pakete und schickt sie in die armen Länder. Da tut man ganz viel Essen und Trinken rein. Zum Beispiel Brötchen mit Marmelade, ein paar Croissants, Traubensaft und Wasser. Und falls die Kinder in Afrika feiern möchten, wenn einer Geburtstag hat, legt man noch Gummibärchen und Limonade dazu.
Professor Dr. Harald von Witzke, Präsident des Humboldt-Forums für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin, meint:
Katharinas Idee, Essen in arme Regionen zu schicken, ist gut, solange diese Unterstützung in geringem Maße und individuell erfolgt. Denn langfristige nichtindividuelle Nahrungsmittelhilfe kann problematisch sein. Auch meine Tochter sagte mal: "Papa, ich habe gelernt, dass es genug Essen für alle auf der Welt gibt. Man muss es nur gerecht verteilen." Ich erklärte ihr, dass wir genau damit in der Dritten Welt Schaden angerichtet haben. Denn wenn wir Lebensmittel zu sehr günstigen Preisen in diese Länder bringen, ist das eine direkte Konkurrenz zu den einheimischen Produkten.
Sinnvoller ist Hilfe zur Selbsthilfe. Einen Brunnen zu bauen, bedeutet für die Menschen vor Ort: sauberes Trinkwasser, weniger Krankheiten, mehr Bildung. Denn die Kinder haben dann auch Zeit für die Schule, weil sie nicht mehr kilometerweit laufen müssen, um Wasser zu holen. Bildung und eine funktionierende Marktwirtschaft sind die zwei Triebkräfte gegen die Armut und den Hunger.
Wie sollte Schule sein?
Die Ideen von Lea, dreizehn Jahre:
Man müsste viel mehr mit den Schülern reden und ihnen erlauben mitzubestimmen. Ich finde es blöd, dass die Schulsenatoren oder Kulturminister oder wie die heißen alles allein entscheiden. Es geht doch schließlich um uns! Toll wäre, wenn es gar keine Klassen gäbe, sondern nur Kurse. In den Hauptfächern gäbe es dann jeweils einen Kurs für die, die das Fach schon besser können, und einen für die, die noch nicht ganz so weit sind.
Außerdem sollten Schüler und Lehrer am Anfang des Jahres gemeinsam die Themen für den Unterricht besprechen. Und der Unterricht müsste ein besserer Mix aus Frontalunterricht und Gruppenarbeit sein. Außerdem sind meine Freunde und ich für ein Abitur nach 13 Jahren. Wir hätten gern noch für andere Dinge Zeit als nur für die Schule!
Professor Dr. Gerald Hüther, Hirnforscher und Leiter der Zentralstelle für neurobiologische Präventionsforschung an der Universität Göttingen, meint:
Lea fordert Mitbestimmung, sie möchte ernst genommen werden. Diese Chance sollten wir allen Schülern geben! Das bedeutet, dass Lehrpläne nicht länger von Kultusministern erstellt werden dürfen. Wir müssen aufhören, den Stoff aus Lehrbüchern abzuarbeiten. Denn Kinder lernen am besten, wenn der Stoff für sie von Bedeutung ist. Was wir uns mit Interesse und Freude aneignen, bleibt im Gehirn haften. Das ist neurobiologisch bewiesen. Ist etwas für ein Kind unwichtig, wird es dieses nicht lernen. Es sei denn durch ein System von Bestrafung und Belohnung. Leider verinnerlicht es dadurch nicht, wie schön zum Beispiel ein Gedicht ist. Es tut nur möglichst viel dafür, damit es belohnt wird. Studien zeigen: Solche Kinder sind später angepasste Pflichterfüller, die zwei Jahre nach dem Abitur nur noch zehn Prozent des Schulstoffes wissen.
Lea hat also recht: Unterricht soll Raum fürs Erkunden lassen.Kinder brauchen kompetente Wegbegleiter, die ihnen helfen, ihre Entdeckerfreude und Gestaltungslust zu nutzen. Mein Team und ich haben uns viele Schulen angesehen. Die guten hatten etwas gemeinsam: den Geist und das Menschenbild, die dort herrschen. An diesen Schulen mögen die Lehrer Kinder und wollen sie begeistern für Mathematik oder das Lesen. Und sie glauben an das Potenzial in jedem ihrer Schüler. Solche Lehrer fanden wir an staatlichen ebenso wie an Montessori- oder Waldorfschulen. Was zählt, ist, ob es gelingt, Kinder fürs Lernen zu begeistern.
Bei meinen Vorträgen kommt oft der Einwand, meist von älteren Herren: "Aber zu meiner Zeit gab es sogar noch die Prügelstrafe – und aus mir ist ein Professor geworden!" Dann antworte ich: Wer weiß, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie mit Freude und Begeisterung hätten lernen dürfen.
* Namen aller Kinder von der Redaktion geändert