chrismon: Studenten sind jung, offen – wozu brauchen sie Mediationen?
Ludger Büter: Die meisten haben keine Erfahrung mit Wohngemeinschaften. Sie wissen nicht, was sie sich selbst und anderen abverlangen können, um einen WG-Streit zu entschärfen.
Worüber wird am meisten gezankt?
Viele Streitigkeiten kreisen um mangelnde Hygiene, um Schimmel in Kaffeetassen oder Haare im Duschabfluss. Oft ist es so, dass sich aus Frust immer mehr WG-Bewohner weigern, sauberzumachen – bis es jemand nicht mehr aushält. Ein anderes Thema sind Geräusche. Manche hören zu lange, zu laut, zu spät ihre Musik. Oder telefonieren so laut, dass man es durch die Wände hört.
Wie können Sie helfen?
Ich kläre, ob die Mieter schon nach einer Lösung gesucht haben. Ganz wichtig ist: Als Mediator will ich nicht Verbündeter des Beschwerdeführers sein. Also lade ich alle Parteien zu getrennten Gesprächen ein. Anders geht es nicht; wenn es sofort zum gemeinsamen Gespräch kommt, gerät das schnell zur Abrechnung. Da werden Aggressionen ausgetauscht, die sich kaum noch kanalisieren lassen. Schon in den getrennten Gesprächen weise ich auf die Regeln für die Mediation hin, an der alle teilnehmen.
Welche sind das?
In der ersten Runde darf jeder das Problem in einem Satz aus seiner Sicht schildern, unwidersprochen. Zweite Runde: Jeder trägt seinen Wunsch für die Lösung vor. Dritte Runde: Jeder erklärt, was genau er zur Lösung beitragen kann. Wichtig ist, dass jeder seine Zeit bekommt; ich achte auf die Redeanteile. Länger als eine Stunde sollte das Gespräch nicht dauern. Wenn es einen weiteren Termin braucht, ist das kein gutes Zeichen.
Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote?
Ich habe bisher über 70 Mal vermittelt. In einem Drittel bis zur Hälfte der Fälle gibt es eine deutliche Verbesserung.
Und wenn nur der Umzug bleibt?
Wenn eine WG scheitert, ist das immer bedauerlich und eine Härte für den, der sich hinausgedrängt fühlt. Aber manchmal ist der Auszug die beste Lösung.
Das Semester beginnt, viele WGs gründen sich. Ihr Tipp zum Einzug?
Aufgeschlossen sein und sich mit kleinen Gesten der Freundlichkeit vorstellen.
Also ein Begrüßungsessen kochen?
Das ist schon eine große Geste! Die meisten freuen sich schon, offen angesprochen zu werden. „Wie war dein erster Tag?“ Für den WG-Alltag von vier, fünf Mitbewohnern ist es wichtig, sich zu verständigen, wie man mit den Gemeinschaftsräumen umgehen will. Putzpläne gehören ebenso in eine WG wie ein gesundes Maß an Pflichtbewusstsein.
Und wovon raten Sie ab?
Eine WG mit Erwartungen zu überfrachten: Sie ist keine Ersatzfamilie und wird auch nicht gerne die Freunde stellen, die man glaubt, auf anderem Wege nicht zu bekommen.
Sind Studenten heute verwöhnter als früher? Erwarten sie zu viel?
Die zentralen Themen des Zusammenlebens haben sich seit meiner Studienzeit nicht verändert. Wohl aber die Ansprüche. Acht Minuten Fahrzeit plus fünf Minuten Fußweg von der Uni ins Studentendorf gelten vielen bereits als Zumutung. Trotzdem: 4800 Mieter aller Nationen leben hier im Großen und Ganzen friedlich miteinander.