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Ein neuer Geist
Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Taufe? Gleich nach der Geburt? Als Konfirmand? Als älterer Mensch? Inzwischen hat sich in dieser Frage viel verändert
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
14.06.2011

Am 26. Juni machten sie sich wieder auf den Weg zum Strom: 12 Täuflinge im Konfirmandenalter und etwas darunter stiegen knietief ins Wasser der Weser und ließen sich von ihrem Pfarrer taufen. Die jungen Leute beugten sich weit vor. Pfarrer Dietrich Diederichs-Gottschalk schöpfte mit den Händen aus dem auflaufenden Wasser der Weser und ließ es über die Köpfe der Täuflinge fließen. Nach der Taufe erklang das einzige Johanneslied im evangelischen Kirchengesangbuch: „Kam einst zum Ufer“ (Nr. 312). In den Taufurkunden ist heute zu lesen: „getauft in der Weser am Strand zu Sandstedt“.

Was im Jahr 2000 im Rahmen eines Kirchweihfestes am Johannistag (24. Juni) begann, ist inzwischen ein fester jährlicher Brauch in der Gemeinde, die nach dem Täufer Johannes benannt ist. Seit tausend Jahren ist der kleine Sandstrand bei Sand­stedt als Taufplatz bekannt. Ganz in der Nähe stand die älteste Kirche der Gemeinde St. Johannis, sie ging im Jahr 1419 in einer Sturmflut unter. Ein besonderer Ort, eine heilige Tradition. Vielen Gästen steht  bei den Feierlichkeiten wohl ein besonderes Bild vor Augen: die Taufe des erwachsenen Jesus im Jordan durch Johannes.
125 Menschen hat Pfarrer Dietrich Diederichs-Gottschalk auf diese Weise getauft, die meisten von ihnen Jugendliche.

Der älteste Täufling in der Weser war 41 Jahre alt

Vor drei Jahren war auch eine Familie dabei: Vater, Mutter, Tochter. Der älteste Wesertäufling war 41 Jahre alt, die jüngsten immerhin so alt, dass sie aktiv an den Kindergottesdiensten teilnehmen können. Säuglinge tauft der Pfarrer allerdings ganz traditionell in der Kirche. Da wären ihm wohl die sechs Meter Tidenhub der Weser zu gefährlich.
Dass sich Menschen jeden Alters taufen lassen, ist eine erfreuliche Entwicklung in den Kirchen. Lange Zeit galt die Säuglingstaufe als der Normalfall, die Taufe Jugendlicher oder Erwachsener als Ausnahme. Das ist theologisch nicht zu rechtfertigen, allenfalls zu erklären.

Bis ins fünfte Jahrhundert hinein galt die Taufe vor allem als Angebot an Erwachsene. Je mehr sich aber das Christentum ausbreitete und zur gesellschaftlich bestimmenden Kraft wurde und je populärer  die kirchliche Erbsündenlehre und die Vorstellung wurde, man müsse Kinder möglichst frühzeitig aus dem Einflussbereich des Satans befreien, desto jünger wurden die Kinder getauft. Die Vorstellung, der Teufel werde unweigerlich seine Hand nach einem ungetauften Kind ausstrecken, ist lange überholt. Ein magisches Schutz­ritual ist die Taufe nicht.

Ein sichtbares Zeichen für die unsichtbare Gnade Gottes

Die Taufe ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass ein neuer Geist von dem Menschen Besitz ergreift. Während Martin ­Luther, der Reformator, noch drastisch ­formulierte, in der Taufe werde der „alte Adam“ ersäuft, also der sündige, korrupte, sich selbst zerstörende Mensch, beschreiben es Theologen nach vorn gewandt: Die Taufe macht stark und optimistisch, sie weckt Verantwortungsbewusstsein und soziales Engagement, Lebenskraft und ­Zutrauen. Sie ist ein sichtbares Zeichen für die unsichtbare Gnade Gottes, macht deutlich, dass Gott die Menschen voraussetzungslos und bedingungslos annimmt. Weil sich der Täufling von dieser Gnade Gottes erreichen lassen will, lässt er sich taufen, nicht umgekehrt: Die Taufe ist nicht etwa die Belohnung für einen frommen Lebenswandel und eine perfekte Bekehrung. Zugleich besiegelt die Taufe ein Versprechen des Täuflings: Er will sich ­bemühen, weiter in den Glauben an Jesus Christus hineinzuwachsen und ein aktives Mitglied der  Gemeinde zu werden.

Wann ist der ideale Zeitpunkt für die Taufe? Immer. In den Jahren bis zur Konfirmation, wenn die Kinder zu mündigen Gemeindemitgliedern herangewachsen sind, übernehmen die Paten (neben den Eltern) den größeren Teil der Verantwortung für die religiöse Entwicklung des Kindes. Das lösen Jugendliche später bei der Konfirmation persönlich ein. 

Auch junge Erwachsene und ältere Menschen haben gute Gründe, sich taufen zu lassen. Die Zuwendung Gottes kennt keine Altersbegrenzungen. Auch in dieser Hinsicht gilt der Propheten-Satz: „Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet (Jesaja 46,4).

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