In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Am Theater fand ich die Proben immer beglückender als die Vorstellungen, da das offener war, und weil ich mit Provisorien hantieren konnte. Wenn mir beim Filmen das, was ich darin mache, gefällt, ist es ein großartiges Erlebnis, den fertigen Film zum ersten Mal zu sehen. Ich bin beglückt, wenn es funktioniert, wie ich bestimmte Rollen gespielt habe, und ich merke, dass die Leute das annehmen. Das ist einfach toll, weil man auch weiß: Das bleibt. Es ist doch tröstlich, wenn schließlich nicht nur das Haar im Kamm bleibt, sondern es mit dem Ende der Existenz Sachen gibt, die mit dem eigenen Namen weitermachen – sei es durch eigene Kinder oder durch Werke.
An welchen Gott glauben Sie?
Ich habe meine Jugend in Zürich verbracht, bin daher Zwingli-protestantisch geprägt. Ich bin Christ, aber ich bin kein ernsthafter, da müsste ich schon mehr einsetzen und nach gewissen Regeln leben, und das tue ich alles nicht. Da ich Künstler bin, mache ich es mir einfach und sage: „Ich interessiere mich für Transzendenz.“ Manchmal gibt es Momente, in denen ich eine Innigkeit mit der Natur empfinde, dass ich darin aufgehe und dann Teil davon werde. Das ist wunderbar. Es wäre schön, so zu sterben.
Was können Erwachsene von Kindern lernen?
Das aus der Kindheit Hinübergerettete ist womöglich das Beste, was wir haben. Ich habe mich immer über die Gelassenheit meines Sohnes gewundert, wie er mit seinem Schicksal umgeht. Mit fünf, sechs Jahren ist er erblindet. Als wir das entdeckten und diese vielen Reisen machten zu Augenärzten und Kliniken, ist mir aufgefallen, wie unglaublich tapfer er das ertragen hat. Auch wie er heute auf Ereignisse reagiert, wie er mit mir redet, wie er mit mir über Bücher spricht – das ist ganz speziell, und das gefällt mir sehr, das höre ich gern von ihm. Da ist er mir sehr voraus. Gelassen ist ein Hilfsbegriff, aber ja, es hat mit Gelassenheit zu tun.
Muss man den Tod fürchten?
Ja klar, ich fürchte ihn, aber nicht ständig und nicht panisch. Ich hatte einmal eine Verletzung an einer Schädelarterie. Ich war fünf Tage und Nächte auf der Intensivstation, und da war es teilweise kritisch. Überhaupt der Aufenthalt an solch einem Ort, wenn die Leute neben einem weggerollt werden und man weiß, die sind gestorben, und immer diese Geräte – das ist bedrückend. Ich habe früher schwer getrunken, dadurch kam diese Verletzung. Das war eine sehr dezidierte Warnung. Ich habe seitdem keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt.
Hat das Leben einen Sinn?
Nein. Aber mich beschäftigt das auch nicht so. Ich frage mich eher: „Was machst du mit der Zeit, die dir gegeben ist von Geburt bis Tod? Was machst du mit deiner Begabung?“ Ich mag als Schauspieler einen guten Ruf haben, manche sagen, ich sei ein besessener Arbeiter, aber das ist der Blick von außen, ich habe ja auch noch einen auf mich. Ich komme mir eher auf die Schliche, und ich mag es nicht, wenn ich anfange zu tricksen, wenn ich mir selbst sage: „Das kannst du auch für die Hälfte haben! Da machst du einen kleinen Schlenker, das reicht.“ Das ist alles Mist, das ist alles nichts wert. Ich bin froh, wenn ich sagen kann: „Ich habe wirklich getan, was ich konnte, mehr war nicht drin.“ Es gibt schon ein paar Sachen, wo ich denke: „Das hast du gut gemacht.“ Es gibt aber auch ein paar, die ich niemandem erzähle, die schrecklich sind. Die guten haben meistens damit zu tun, dass ich anderen Leuten etwas Liebes angetan habe, wenn ich Leuten geholfen habe. Wenn ich etwas getan habe, das mir nichts nützt und wofür ich keinen Gegenwert erhalte. Gehe ich an einem Bettler vorbei, denke ich immer wieder: „Warum belästigen die mich?“ Und dann bleibe ich stehen und sage mir: „Komm, wer bist du!? Du verdienst ziemlich viel Geld, was soll das!?“ Dann gehe ich zurück und tue zwei Euro in den Hut. Danach geht es mir besser.
Was hilft in der Krise?
Geduld. Kleine Schritte, nicht hängenlassen. Sich sagen: „Im Moment ist es ganz schlecht, und die Perspektive ist noch schlechter, aber bewege dich. Nur so viel, wie du kannst, ohne zusammenzubrechen, aber halte es aus. Gib nicht auf. Lass es auch sein, geh auch weg, aber komm’ wieder. Komme wieder! Gib nicht auf! Mach ganz kleine Bewegungen, bis es wieder in Fluss kommt.“ Das ist das, was ich gelernt habe.