07.10.2010

Jahrelang haben wir nur telefoniert, fast jeden Abend, in Ecuador war es dann mittags. Trotzdem waren mir meine Kinder immer nah. Ich wusste alles von ihnen. Jetzt sind sie endlich bei mir. Aber am besten kann ich immer noch mit ihnen reden, wenn ich sie auf dem Handy anrufe.

Eigentlich hatte ich gar nicht nach Deutschland gehen wollen, sondern nach New York, da arbeitete der Vater meiner Kinder als Postbote. Er besuchte uns, wenn er Ferien hatte. Ein ewiges Hin und Her. Ich wollte ein richtiges Familienleben! Und eine gute Ausbildung für meine Kinder. Mein kleiner Friseurladen hielt uns nur gerade so über Wasser. Also drängte ich meinen Mann, uns Papiere für die USA-Einreise zu besorgen. Aber er unternahm nichts. Er fand dieses Doppelleben wohl gar nicht so schlecht.

Ich musste selbst etwas tun

Ich musste selbst etwas tun. Und ich dachte, wenn ich erst einmal in Europa bin, dann schaffe ich es vielleicht auch nach New York. Ich brachte die Kinder, sie waren damals drei und fünf, zu meiner Mutter und flog zu einer Verwandten nach Köln. "Mama fährt in Urlaub", sagte ich. Ich dachte wirklich, es würde schnell gehen. Aber es wurde sehr kompliziert.

Um nach dem Touristenvisum legal in Europa bleiben zu können, heiratete ich einen Spanier. Er wollte 7000 Mark dafür. Ich ließ mich von meinem ersten Mann scheiden, später auch von dem Spanier, ging putzen, verdiente auch ganz gut - aber es ging mir schlecht. Beim Putzen lenkt einen nichts ab, man ist mit seinen Gedanken allein. Ich vermisste die Kinder. Manchmal hatte ich Stiche im Herz, dann dachte ich: Jetzt ist etwas passiert.

Nach zwei Jahren konnte ich das erste Mal nach Hause. Zuerst war meine Tochter abweisend, am Flughafen versteckte sie sich sogar hinter meiner Mutter, aber im Taxi konnte ich sie dann umarmen. Mit meiner damaligen Aufenthaltsgenehmigung durfte ich nur sechs Wochen außerhalb Deutschlands sein. Ich musste also wieder zurück. Die Kinder weinten furchtbar. Aber wenn ich jetzt bliebe, wäre alles umsonst gewesen. Und ich hatte ja immer noch das Ziel, ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen! Gleichzeitig wollte ich endlich mal länger bei den Kindern sein.

Nie war ich so glücklich!

Ich brauchte einen Trick, und ein deutscher Arbeitgeber half mir: mit einem Arbeitsvertrag, damit es so aussieht, als würde ich die ganze Zeit in Deutschland arbeiten. Die Sozialversicherungsbeiträge musste ich natürlich alle selbst zahlen. Aber so konnte ich dann wieder nach Ecuador. Zwei Jahre blieb ich dort, wir lebten von meinen Ersparnissen. Nie war ich so glücklich!

Dann flog ich wieder nach Köln, entschlossen, die Kinder bald nachzuholen. Dafür musste ich ein Jahr lang 1600 Euro netto verdienen - sonst glauben die deutschen Behörden nicht, dass ich meine Familie selbst ernähren kann. So viel Geld, allein durch Putzen? Wieder halfen mir zwei Bekannte: Wir machten Verträge über 1600 Euro, obwohl ich bei ihnen viel weniger arbeitete. Die zusätzlichen Lohnnebenkosten und sonstigen Beiträge zahlte ich. Mit Geld, das ich woanders schwarz verdienen musste.

Vor einem halben Jahr habe ich die Kinder geholt. Groß sind sie geworden. Shirley ist 14, Justin 12. Ich habe so viel verpasst! Jetzt sind sie da, aber ich habe keine Zeit für sie. Jeden Tag bin ich zehn Stunden unterwegs, davon zwei in der U-Bahn. Nur sonntags habe ich frei. Wenn ich heimkomme, bin ich hundemüde. Dann koche ich für die Kinder vor, doch am nächsten Abend steht das Essen unberührt auf dem Herd - sie haben den ganzen Nachmittag vor dem PC gesessen und Süßigkeiten gegessen.

Gestern habe ich deshalb geschimpft: "Nur Gott weiß, wie müde ich vom Putzen bin! Und dann muss ich mir auch noch Sorgen machen, weil ihr nicht genug esst! Und warum räumt ihr nichts auf? Ich brauche eure Hilfe! " Shirley sagte: "Wozu sind wir hier, wenn du nur meckerst? Du weißt gar nicht, wie man Kinder aufzieht." Das tat weh. Ich putze doch nur so viel, damit ich mich einbürgern lassen kann. Dann können auch meine Kinder einen deutschen Pass bekommen. Und dann kann ich endlich mal eine Pause machen und nur Mutter sein.

Protokoll: Ariane Heimbach

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