Freiheit kann wehtun
Gunter Glücklich
03.04.2017

Welche Freiheit ist gemeint? ­Fatma Aydemir und Dirk Kurb­juweit erzählen von zwei ganz unterschiedlichen Frauen, die beide ­gegen Fremdbestimmung ankämpfen. Fatma Aydemirs Debüt­roman „Ellbogen“ setzt im rauen Berliner Stadtteil ­Wedding ein: Die junge Hazal wächst in einer patriarchalisch geprägten „deutsch­türkischen“ Familie auf. Was aus ihrem Leben werden soll, weiß sie nicht. Eine berufliche Perspektive tut sich nicht auf, und als man Hazal an ihrem 18. Geburtstag den Zutritt zu einem Szeneclub verweigert, steigert sich ihre Wut ins Unermessliche: Sie stößt einen Studenten auf die U-Bahn-Gleise und flieht nach Istanbul, das für sie nicht minder fremd ist – ein schnörkelloser Roman, wie er aktueller nicht sein könnte.

Fatma ­Aydemir: Ellbogen. Hanser. 272 Seiten, 20 Euro

Dirk Kurbjuweit beschreibt das Leben der unerschrockenen Emma Herwegh (1817–1904), die an der Seite ihres Mannes, des Vormärz-Lyrikers Georg Herwegh, aktiv in die 1848er-Revolution eingriff. Fast ein halbes Jahrhundert später blickt sie in Paris auf ihr unkonven­tionelles Leben zurück, im ­Gespräch mit dem damals kaum bekannten Frank ­Wedekind. Ein Roman, der vom Ringen des 19. Jahrhunderts um Freiheit und Einheit erzählt – und von Emmas souverän ertragenen Leiden an der verzehrenden Liebe ihres Mannes für eine andere Frau, für Natalie, die Ehefrau des russischen Philosophen Alexander Herzen. Eine ­Ménage-à-quatre, die Emma Herwegh alles ab­verlangte.

Dirk Kurb­juweit: Die Freiheit der Emma Herwegh. Hanser. 336 Seiten, 23 Euro

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