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„Sie lassen aber auch nichts aus“, sagt ein Arzt zur Hauptperson dieses schmalen Buches – Lungenemphysem, Aneurysma, Herzinfarkt… Hermann Kinder, Jahrgang 1944, erzählt vom körperlichen Niedergang und den damit verbundenen widrigen Abhängigkeiten. Der Erzähler, nun selbst an Krücken humpelnd, sieht plötzlich all die anderen Humpelnden. Wie viele es davon gibt; lauter „Krebsler und Kraucher, Fußschleifer, Torkler, Querwandler, Hinfaller…“ Und was für beschämende Träume er auf einmal hat! Da sind die große Literaturkritikerin und der stadtbekannte Kulturmanager zu Besuch, aber der Erzähler kann ihnen kein Lokal am Bodensee finden, obwohl er die Gegend aus dem FF kennt. Dass er selber Schriftsteller ist, wagt er dann gar nicht mehr zu erwähnen… Hermann Kinder erzählt peinvoll konkret, zugleich höchst komisch. Das ergibt kein Trostbüchlein, aber eines, das bannt, weil es den Schrecken in Worte fasst. Das Motto hat der Autor nicht voran-, sondern nachgestellt, auf der letzten Seite, einen Satz von Roberto Benigni: „Sterben mag ich nicht. Das ist das Letzte, was ich tun werde.“
Hermann Kinder: „Der Weg allen Fleisches“, Weissbooks GmbH, Frankfurt a. M. 2014, 18 Euro