Was haben Tankstellen der Firma Aral und die evangelischen Kirchen im Südharz gemeinsam? Bei beiden gibt es diesen Herbst für jeden Besuch einen Stempel. Bei Aral für jeweils zehn Liter Kraftstoff oder eine Autowäsche. Im Kirchenkreis Südharz für jeden Besuch in einer der 104 Kirchen zwischen Zwinge und Bösenrode. Ähnlich wie bei beschwerlichen Pilgerreisen oder schweißtreibenden Gipfelwanderungen soll der Stempel ein Anreiz sein, alle Kirchen zu bewältigen. Den Kirchenstempel muss man sich allerdings weder erwandern noch erklettern. Es reicht auch, mit dem klimatisierten oder beheizten Auto vor der Kirche vorzufahren. Und weil es von Zwinge bis Bösenrode über 50 Kilometer sind, kann man zwischendurch auch mal bei Aral Stopp machen. Man darf dann nur die Stempel fürs Tanken und fürs Beten nicht verwechseln.

Muss das sein? Bei Konfirmanden mag die Stempelei ja noch ihren Sinn haben. Früher waren es 20, heute reichen bisweilen schon acht abgestempelte Gottesdienstbesuche, um konfirmiert zu werden. Für die Teenies hat schon die Herausforderung, das Stempelheft nicht zu verlieren, einen gewissen pädagogischen Reiz. Ganz wie in der Grundschule, wo Lehrerinnen den lustigen Belohnungsstempel „Fledermaus“ ins Schönschreibheft drücken. Heißt so viel wie: „Du übst fleißig!“ Oder eben doch das Stempelmodell Kasimir: „Du musst noch üben!“

Aber bei Erwachsenen? Sollen die jetzt wirklich neben Tankstempeln, Treueherzen und Bonuspunkten auch noch Kirchenstempel erjagen? Verbraucherschützer raten in solchen Fällen: Erst mal gucken, was die Prämie abwirft. Für 20 Aral-Stempel gibt es „The Dark Knight“ als DVD, ab 30 Stempel denselben Film als Blu-ray. Und bei der Kirche? Gibt es für 52 einen silbernen, für alle 104 Kirchenstempel einen goldenen Orden. Wer sich als Erstes den goldenen Orden erstempelt hat, kriegt ein Wochenende in der Lutherstadt Wittenberg spendiert. Hm. Luther mochte das ja nicht so mit dem Zählen und Bezahlen. Gefreut hätte er sich über jeden, der in die Kirche kommt. Einmal, achtmal, 20-mal oder 104-mal.