Kinder der Taliban, Screenshot
Lufbruecke - Schnee Kinder
Sie sind Freundinnen und wollen es schaffen: Szenenbild aus der ZDF-Dokumentation "Die Kinder der Taliban"
Gehirnwäsche und Widerstand
Wie geht es Kindern in Afghanistan unter der Taliban-Herrschaft? Eine beeindruckende Dokumentation im ZDF gewährt Einblicke
Tahora HusainiPrivat
28.02.2023

Afghanistan hat eine der jüngsten Bevölkerungen der Welt: Nach Angaben der Weltbank waren im Jahr 2020 63% der Bevölkerung jünger als 25 Jahre und 44% jünger als 15 Jahre alt. Dieser "Youth Bulge" kann eine Chance für Fortschritt und Innovation sein, aber auch eine Belastung für Länder mit niedrigem Einkommen, wenn es darum geht, jungen Menschen die notwendige Bildung und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Da ein großer Teil der afghanischen Bevölkerung jung ist, befindet sich das Land an einem entscheidenden Punkt, um seine Zukunft zu gestalten, insbesondere angesichts des derzeitigen politischen Klimas, das eine Bedrohung für die Jugend und die Zukunft des Landes darstellt. Die von den Machthabern getroffenen Entscheidungen könnten katastrophale Folgen haben.

Diese komplexe und vielschichtige Situation wurde kürzlich in einer ZDF-Sendung über das aktuelle Taliban-Regime aufgegriffen. Sie zeigt das Leben von vier Familien aus drei verschiedenen ethnischen Gruppen, die unter der Herrschaft der Taliban leben und gibt Einblick in das Schicksal der Kinder in der gegenwärtigen Situation.

Der Film erzählt die Geschichte von Abdullah, dem Sohn eines Taliban-Kommandeurs, der eine Koranschule (Madrasa) besucht sowie seinem Freund Ehsanullah, der einer anderen Volksgruppe angehört, dessen Vater Assistent des Kommandeurs ist und der eine normale Schule besuchen möchte. Außerdem wird das Schicksal zweier junger Mädchen gezeigt, deren Väter Soldaten waren, aber nach der Machtübernahme der Taliban spurlos verschwanden. Diese Mädchen unterstützen ihre Familien, indem sie auf der Straße Schuhe putzen, wie viele Kinder, die statt zur Schule zu gehen, den ganzen Tag auf der Straße verbringen und versuchen, etwas Brot für ihre Familien zu verdienen.

Kinder werden zu Mördern ausgebildet

Als ich mir dem Film ansah und Abdullah beim Reden zuhörte, erinnerte ich mich an meine Schulzeit im Iran, als wir über die Beschränkungen des Islam belehrt wurden. Jahrelang war ich paranoid, wenn ich auch nur eine Haarsträhne zeigte, weil ich mir vorstellte, in der Hölle an meinen Haaren aufgehängt zu werden. Auch Abdullah nimmt die Lehren seiner Madrasa blind an und ist bereit, sein Leben und das anderer zu opfern, nur um den Propheten Mohammad im Himmel zu treffen, wie er mehrmals erwähnt.

Die Szene, die mich am meisten erschreckte, war, als Abdullah von den Spitznamen erzählte, die Madrasa-Lehrer für seine Klassenkameraden verwenden, darunter "Entführer", "Bombenbauer" und "Selbstmordattentäter" - drei radikale Taten, die in den letzten Jahrzehnten gegen die afghanische Bevölkerung verübt wurden. Noch beunruhigender ist, dass die Kinder im Hintergrund mit echten Waffen spielen und so den Kreislauf von Gewalt und Indoktrination fortsetzen.

Der Einsatz von Kindersoldaten ist in Konflikt- und Kriegsgebieten wie der Demokratischen Republik Kongo, dem Jemen, Syrien und vielen anderen Ländern weit verbreitet. Diese Jungen werden oft einer Gehirnwäsche unterzogen und für die Zwecke ihrer Anführer eingesetzt, was ihr Leben nachhaltig beeinflussen kann. In den kommenden Jahren können diese jungen Soldaten zu gewalttätigen Männern werden, die nicht in der Lage sind, über ihre eigene Wahrheit hinauszublicken. Besonders besorgniserregend ist die aktuelle Situation in Afghanistan, wo die Waisenhäuser unter der Kontrolle der Taliban stehen.

Afghanische Mädchen und Frauen sind äußerst widerstandsfähig und stark

Der Film hat mich als Afghanin emotional sehr berührt. Als ich die Dokumentation sah, liefen mir die Tränen über das Gesicht. Jede Straße, jede Gasse, jedes Geschäft kam mir bekannt vor. Aber die Geschichte der neunjährigen Shoukria hat mich am meisten berührt. Ihre Geschichte erinnerte mich an die jungen Mädchen, die ich in Kabul fotografiert hatte, die arm waren und auf der Straße arbeiteten, aber dennoch große Träume für ihre Zukunft hatten.

Ein Mädchen in Afghanistan zu sein, war schon vor den Taliban eine schwierige und belastende Erfahrung. Aber Shoukria ist ein intelligentes und ehrgeiziges Mädchen, das nicht so enden will wie ihre Mutter, die nicht zur Schule gehen konnte. Sie ist entschlossen, ihrer Familie zu helfen und für das Richtige zu kämpfen. Trotz ihrer Schwierigkeiten wirkt sie nicht wie ein Opfer - sie spricht wie eine Rebellin, die stolz darauf ist, ein Mädchen zu sein.

Was alle Kinder in diesem Film verbindet, sind ihre Unschuld, ihre Fröhlichkeit, ihr Wissensdurst und ihre Hoffnungen für die Zukunft. Doch ihre Wege trennen sich und je nach Geschlecht, familiärem Hintergrund und ethnischer Herkunft sind sie für unterschiedliche Schicksale bestimmt.

Ein kleiner Akt der Unterstützung kann das Leben eines Menschen verändern.

Der Film zeigt eine Reihe von schwierigen und herausfordernden Situationen, mit denen Kinder in Afghanistan konfrontiert sind und hinterlässt ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Er endet jedoch mit einer positiven Note, indem er den Erfolg von Shoukria und Arezo hervorhebt, die ihre YouTube-Kanäle nutzen, um das Leben von Straßenkindern zu zeigen und ihnen die Möglichkeit zu geben, eine Grundschule zu besuchen. Dennoch bleibt die Zukunft dieser Mädchen ungewiss und sie werden wahrscheinlich weiterhin mit Herausforderungen konfrontiert sein, wenn sie ihre Träume über die Grundschule hinaus verfolgen wollen. Doch ihre Entschlossenheit und ihr Durchhaltevermögen sind inspirierend. Sie zeugen von der Kraft der Bildung und der Hoffnung. Es ist auch eine Erinnerung daran, dass selbst kleine Taten der Freundlichkeit und Unterstützung das Leben eines Menschen verändern können.

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Kolumne

Tahora Husaini

Die afghanische Frauenrechtlerin Tahora Husaini hat über ein Jahr lang in ihrer Kolumne über ihr Leben in Deutschland, das Schicksal ihrer Landsleute in der alten Heimat und das einstige Leben in Kabul geschrieben. Die letzte Folge der Kolumne erschien im Mai 2023