Fliegen ist schädlich fürs Klima - kann ich andere von meinem Standpunkt überzeugen?
Fliegen ist schädlich fürs Klima - kann ich andere von meinem Standpunkt überzeugen?
Kati Szilagyi
Klimaschutz
Wohin mit der Wut
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
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28.12.2022

Uta G. aus Bielefeld fragt:

Ich bin Ärztin, Nachbarin, Freundin. Viele Leute erzählen mir von ihren Flugreisen. Sie sagen dann manchmal: "Ich habe ja ein schlechtes Gewissen deswegen" – aber dann buchen sie doch wieder den nächsten Flug. Ich war schon immer umweltbewusst und versuche, jede Autofahrt zu vermeiden. Dass wir ein schwerbehindertes Kind haben, macht Reisen für uns sowieso schwierig. Aber auch wenn wir freier wären, würde ich nicht fliegen. Wie kann ich auf diese Geschichten rea­gieren? Ich will die Leute ja auch nicht mit meiner Wut überschütten.

Stefanie Schardien antwortet:

Die gute wie bittere Nachricht: Der letzte Sommer mit seinen Dürren, Waldbränden und Fluten hat vermutlich mehr Überzeugungsarbeit geleistet als jede Diskussion. Viele kennen aber auch Ihre Verzweiflung – immer wenn ihr "Herzensthema" nicht genügend beachtet wird. Bei ­Ihnen und vielen ist es das Klima, bei anderen Tierschutz. Wieder andere ertragen keine unsen­sible Sprache oder verzweifeln am mangelnden Kampf gegen Armut und Hunger, für Frieden oder Opfer von Gewalt. Alles wichtig. In der besten aller Welten würden sich alle um alles kümmern und gut handeln.

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Stefanie Schardien

Stefanie Schardien wurde 1976 in Dortmund geboren und wuchs in der Herzlichkeit des Ruhrgebiets auf. Studium und Beruf führten sie an mehrere Orte: nach Heidelberg, Toronto und Bochum, zum Vikariat nach Hattingen/Ruhr, mit einer Juniorprofessur für Systematische Theologie an die Universität Hildesheim und als Kindergottesdienstpfarrerin nach Nürnberg Als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern arbeitet sie seit 2016 im Team der Kirchengemeinde St. Michael in der Fürther Altstadt. Für Stefanie Schardien verbinden sich an diesem Ort die besten Eigenschaften von "Citykirche und Dorfgemeinde": "Die Gemeinde hat einen fröhlichen weiten Geist, der viel Kreativität ermöglicht; und gleichzeitig kennt man sich und kümmert sich umeinander." Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie darin, gemeinsam den religiösen Fragen nachzugehen und die Antwortversuche des Glaubens zu übersetzen. Und dabei immer wieder auch von der christlichen Freiheit zu erzählen. "Denn die kann es mit all der Angst aufnehmen, die im Moment geschürt wird." Schardien ist überzeugt, dass viele Menschen großes Interesse an Themen haben, mit denen sich Theologie und Kirche beschäftigen. Darum verlässt sie auch gern einmal die Kirchenmauern: Seit langem ist sie für das Radio tätig, aktuell mit Evangelischen Morgenfeiern auf BR 1, und engagiert sich als Präsidiumsmitglied beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

In der Realität holt selbst aufmerksame Menschen wie Sie die ernüchternde Einsicht ein: Das schaffe ich überhaupt nicht alles! Werden Sie trotzdem nicht müde zu betonen, wie sehr jeder einzelne Beitrag zählt. Weil jeder einzelne, auch jeder noch so winzige davon dieses Leben nachhaltiger oder gerechter macht. Was ist nun mit der Einsicht, selbst auch nie ein vollkommener "Gutmensch" zu sein? Mich macht ­sie demütiger und vorsichtiger in scharfen Urteilen über andere.

Wenn im nächsten Gespräch ­andere Ihren Ansprüchen nicht ­genügen, erinnern Sie sich, dass das umgekehrt bei ­anderen Herzensthemen mög­licherweise auch gilt. Und dass andere wahrscheinlich auch in ihrer Unvollkommenheit Gutes tun, von dem Sie noch nichts ­ahnen.

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