Uta G. aus Bielefeld fragt:
Ich bin Ärztin, Nachbarin, Freundin. Viele Leute erzählen mir von ihren Flugreisen. Sie sagen dann manchmal: "Ich habe ja ein schlechtes Gewissen deswegen" – aber dann buchen sie doch wieder den nächsten Flug. Ich war schon immer umweltbewusst und versuche, jede Autofahrt zu vermeiden. Dass wir ein schwerbehindertes Kind haben, macht Reisen für uns sowieso schwierig. Aber auch wenn wir freier wären, würde ich nicht fliegen. Wie kann ich auf diese Geschichten reagieren? Ich will die Leute ja auch nicht mit meiner Wut überschütten.
Stefanie Schardien antwortet:
Die gute wie bittere Nachricht: Der letzte Sommer mit seinen Dürren, Waldbränden und Fluten hat vermutlich mehr Überzeugungsarbeit geleistet als jede Diskussion. Viele kennen aber auch Ihre Verzweiflung – immer wenn ihr "Herzensthema" nicht genügend beachtet wird. Bei Ihnen und vielen ist es das Klima, bei anderen Tierschutz. Wieder andere ertragen keine unsensible Sprache oder verzweifeln am mangelnden Kampf gegen Armut und Hunger, für Frieden oder Opfer von Gewalt. Alles wichtig. In der besten aller Welten würden sich alle um alles kümmern und gut handeln.
Stefanie Schardien
In der Realität holt selbst aufmerksame Menschen wie Sie die ernüchternde Einsicht ein: Das schaffe ich überhaupt nicht alles! Werden Sie trotzdem nicht müde zu betonen, wie sehr jeder einzelne Beitrag zählt. Weil jeder einzelne, auch jeder noch so winzige davon dieses Leben nachhaltiger oder gerechter macht. Was ist nun mit der Einsicht, selbst auch nie ein vollkommener "Gutmensch" zu sein? Mich macht sie demütiger und vorsichtiger in scharfen Urteilen über andere.
Wenn im nächsten Gespräch andere Ihren Ansprüchen nicht genügen, erinnern Sie sich, dass das umgekehrt bei anderen Herzensthemen möglicherweise auch gilt. Und dass andere wahrscheinlich auch in ihrer Unvollkommenheit Gutes tun, von dem Sie noch nichts ahnen.