Sabine, 53, aus Oldenburg fragt:
Ich kümmere mich ehrenamtlich um einen Geflüchteten aus Syrien. Er arbeitet für eine Security-Firma, wäre aber viel lieber Kameramann. Ich helfe ihm, Kontakte zu knüpfen, damit er vielleicht noch einen Abschluss machen kann. Neulich waren wir spazieren und trafen jemanden, den er aus seinem Sprachkurs kennt – und er erzählte ihm stolz, er sei nun Kameramann, es laufe gut. Und der andere staunte und war neidisch, weil bei ihm nix klappt. Da stand mir der Mund offen. Wie soll ich mich denn nun verhalten?
Stefanie Schardien antwortet:
Es reichen küchenpsychologische Grundkenntnisse, um das Verhalten Ihres Bekannten nicht unbedingt sympathisch zu finden, aber zumindest nachvollziehen zu können. Er will seinem Sprachkurskollegen und vielleicht auch irgendwie sich selbst weismachen: Siehste! So schwierig alles sein mag – ich schaffe das in meiner neuen Heimat! Vermutlich interessieren Sie sich auch darum weniger für das ethisch freilich trotzdem fragwürdige Agieren Ihres Bekannten als für Ihr eigenes passives Verhalten. Also: Hat Ihr Schweigen zur Hochstapelei die Lüge verdoppelt und dem Sprachkurskollegen geschadet? Oder haben Sie Ihren Anstand bewiesen, indem Sie Ihren Bekannten nicht verraten wollten und ihm so Gutes getan haben? Eine echte Zwickmühle, denn beides stimmt.
Stefanie Schardien
Nun aber können Sie selbst aktiv werden, um den bisherigen Schaden möglicherweise zu beheben und vor allem, um weiteren Schaden abzuwenden. Sprechen Sie ihn beim nächsten Treffen auf die Lüge an. Machen Sie ihm klar: 1. Sie mögen keine Lügen und werden nicht nochmals zu seiner Hochstapelei schweigen. 2. Er sollte seinem Sprachkurskollegen die wahre Geschichte erzählen, weil er darauf stolz sein kann. 3. Kameramänner lügen nie. Ehrensache.