Andererseits - Geburtstag feiern
Andererseits - Geburtstag feiern
Kati Szilagyi
Mit der Großmutter Geburtstag feiern?
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
24.06.2020

Eric, 23, aus Heilbronn fragt:

"Meine Oma wird 90. Die große Party mit 50 Gästen muss ausfallen, darüber ist sie total gefrustet. Nun möchte sie wenigstens ihre Kinder und Enkel um sich haben. Einen Tisch möchte sie decken mit Kaffee und Kuchen. Wir sagen: ,Oma, aber wir könnten dich anstecken mit dem Coronavirus. Wenn wir ihn haben, merken wir es vielleicht gar nicht.‘ Dann sagt sie: ,Da hab ich schon ganz andere Dinge überlebt.‘ Sie würde sich so freuen, wenn wir kommen würden. Erlaubt wäre das ja. Aber irgendwie hätten wir ein schlechtes Gewissen."  
 

Stefanie Schardien antwortet:

Mit Ihrer Sorge sind Sie in diesem Jahr wohl nicht allein. Viele Menschen sehen sich mit dieser Herausforderung konfrontiert: Wie kann und muss ich meine älteren Verwandten vor einer möglichen Ansteckung schützen und gleichzeitig ihr Bedürfnis nach familiärer Nähe und Gemeinschaft ernst nehmen? Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte der 90. Geburtstag der letzte runde sein, den Ihre Großmutter feiert. Darum kann ich ihren Wunsch, diesen besonderen Tag festlich mit ihrer Familie und nicht als "Dinner for One" zu begehen, mehr als gut verstehen.

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Stefanie Schardien

Stefanie Schardien wurde 1976 in Dortmund geboren und wuchs in der Herzlichkeit des Ruhrgebiets auf. Studium und Beruf führten sie an mehrere Orte: nach Heidelberg, Toronto und Bochum, zum Vikariat nach Hattingen/Ruhr, mit einer Juniorprofessur für Systematische Theologie an die Universität Hildesheim und als Kindergottesdienstpfarrerin nach Nürnberg Als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern arbeitet sie seit 2016 im Team der Kirchengemeinde St. Michael in der Fürther Altstadt. Für Stefanie Schardien verbinden sich an diesem Ort die besten Eigenschaften von "Citykirche und Dorfgemeinde": "Die Gemeinde hat einen fröhlichen weiten Geist, der viel Kreativität ermöglicht; und gleichzeitig kennt man sich und kümmert sich umeinander." Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie darin, gemeinsam den religiösen Fragen nachzugehen und die Antwortversuche des Glaubens zu übersetzen. Und dabei immer wieder auch von der christlichen Freiheit zu erzählen. "Denn die kann es mit all der Angst aufnehmen, die im Moment geschürt wird." Schardien ist überzeugt, dass viele Menschen großes Interesse an Themen haben, mit denen sich Theologie und Kirche beschäftigen. Darum verlässt sie auch gern einmal die Kirchenmauern: Seit langem ist sie für das Radio tätig, aktuell mit Evangelischen Morgenfeiern auf BR 1, und engagiert sich als Präsidiumsmitglied beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Wir müssen – freilich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten – ernst nehmen, dass Menschen in diesem Alter für sich selbst abwägen, welche ­Risiken sie angesichts ihrer ohne­hin absehbar begrenzten Lebensspanne eingehen möchten. Wenn sich Ihre Großmutter also der möglichen Gefahren bewusst ist, würde ich zweierlei tun: Ihrem Wunsch nachkommen, mit ihr zu feiern, und sie gleichzeitig bitten, den Tisch mit möglichst viel Abstand zu decken oder andere in der ­Situation mögliche "Sicher­heitsvorkehrungen" zu treffen. ­Machen Sie Ihrer Großmutter deutlich, dass Sie alle füreinander sorgen können: Sie, indem Sie Ihrer Großmutter ein Fest ermöglichen. Ihre Großmutter, indem sie Ihre Sorgen und ­Ängs­te lindert.

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Sehr geehrte Frau Schardien,

Sie drücken sich sehr vorsichtig aus mit der "ohnehin absehbar begrenzten Lebensspanne", aber wenigstens trauen Sie sich, zu thematisieren, dass 90jährige (eigentlich schon 80jährige) am Ende ihrer statistischen Lebenserwartung angekommen sind. In unserer Gesellschaft hat man oft den Eindruck, dass es keinen Tod mehr geben darf und das irdische Leben mit allen Mitteln und um jeden Preis maximal verlängert werden muss.

Mit freundlichen Grüßen

Doris Mir Ghaffari