Die Umsetzung der Grundrente könnte schwierig werden. (Archivbild)
Juergen Blume/Juergen Blume
Würde mein Onkel ohne den eisernen Vorhang noch leben?
20.11.2019

Liebe Dorothea,

ich gebe zu, ich habe noch nicht allzu viel über meine Rente nachgedacht, das Thema ist für mich einfach noch zu weit weg. Nur ab und zu frage ich mich, wenn ich mal wieder eine Renteninformation zugesendet bekomme, ob ich später tatsächlich einmal von dem Betrag werde leben können – wenn immerhin noch Steuern und Versicherungen abgehen werden.

Da hat es deine Generation doch noch deutlich besser, die ja gerne noch früher in Rente gehen möchte, was, wie du schreibst, angeblich ein Trend ist. Und die derzeitige Politik scheint sich in der Frage auch nicht viel um meine Generation zu scheren, die irgendwann vielleicht sogar einmal ganz ohne Rente dastehen wird, weil der Generationenvertrag dann einfach nicht mehr funktioniert.

Kannst du verstehen, dass ich den Gedanken noch gerne von mir schiebe?

Aber in unserem Blog geht es ja nicht um Alt und Jung, sondern eigentlich um Ost und West. Also zurück zum Thema. Im Osten wird ja viel weniger geerbt als im Westen, auch deutlich seltener Immobilien. Ich persönlich kenne niemanden, der schon einmal etwas geerbt hat (was natürlich auch eine Altersfrage ist), aber auch niemanden, der einmal auf ein großes Erbe zu hoffen braucht und das schließt mich selbst ein.

Ich kenne niemanden, der schon mal was geerbt hat oder viel erben wird

Und obwohl ich es Menschen gönne, von ihren Verwandten etwas vermacht zu bekommen, sehe ich doch auch die Ungerechtigkeit, wenn so große Vermögenswerte vererbt und gleichzeitig kaum Steuern darauf fällig werden. Das bekräftigt soziale Ungerechtigkeitein, auch zwischen Ost und West.

Jetzt bin ich schon ans Lebensende gesprungen, dabei ging es dir doch erst mal um Ost- und Westrente. Du schreibst von schlimmen Lebenssituationen vieler Rentner in den neuen Bundesländern auf der einen, „lückenlosen Erwerbsbiografien“ auf der anderen Seite. Meine Oma gehört wahrscheinlich eher zur ersten Kategorie, denn obwohl sie seit ihrem 14 Lebensjahr gearbeitet hat – ihre Eltern waren leider der Meinung, dass man als Mädchen keine Ausbildung braucht, weshalb nur ihr Bruder eine Lehre machen durfte – hat sie nicht gerade eine lückenlose Erwerbsbiografie.

Ihr Sohn erkrankte sehr früh sehr schwer, und um ihn zu pflegen, blieb sie jahrelang zu Hause, eine Zeit, die ihr nicht angerechnet wurde. Heute bekommt sie gerade mal die Mindestrente oder nur wenig mehr, ich muss noch einmal nachfragen. Vielleicht – oder sogar wahrscheinlich – wäre das anders, wenn sie in einem westdeutschen Bundesland gelebt hätte.

Buß- und Bettag ist super, aber dafür zahlen wir auch mehr bei der Pflegeversicherung

Und vielleicht würde sogar ihr Sohn, mein Onkel, noch leben, der bis zu seinem viel zu frühen Tod mit Ende 20 falsch behandelt wurde, weil die Ärzte eine falsche Diagnose gestellt hatten. Ohne den eisernen Vorhang nur wenige Kilometer von meinem Heimatort entfernt, hätte man ins Nachbarland fahren und sich zumindest eine zweite Meinung einholen können.

Wenn dieser Blog etwas düster ausfällt, dann vielleicht ja, weil Buß- und Bettag ist – und wir in Sachsen heute besonders viel Zeit zum Nachdenken über solche Dinge haben, wo wir doch das einzige Bundesland sind, in dem heute noch ein gesetzlicher Feiertag ist. Super Sache, die einen Haken hat: Bei der Pflegeversicherung bezahlen wir deshalb mehr. Irgendwas ist eben immer.

Einen schönen Buß- und Bettag wünscht dir

Dominique

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Kolumne

Dominique Bielmeier
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Dorothea Heintze
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Anne Buhrfeind

Zwei Redaktionen, ein Blog: Dominique Bielmeier arbeitet bei der Sächsischen Zeitung in Dresden. Anne Buhrfeind und Dorothea Heintze bei chrismon in Frankfurt. Nun bloggen sie: Über ihren Redaktions-Austausch, ihr Leben als Ossi im Westen, ihr Leben als Wessi im Osten. Und ihren Alltag, hier wie dort.