Schon wieder ein Einzeltäter
Ein Einzeltäter wie der von Halle wird sich schwer stoppen lassen. Die Ideologen, die seine Tat legitimieren, schon eher.
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
10.10.2019

Am höchsten jüdischen Fest, dem Versöhnungstag Jom Kippur, versuchte ein deutscher Amokläufer in eine vollbesetzte Synagoge in Halle an der Saale einzudringen. 51 Menschen bangten hinter der verschlossenen Tür. Zum Glück hielt sie den Schüssen des Attentäters stand. Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn der Attentäter das Türschloss der Synagoge hätte zerstören können.

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Burkhard Weitz

Burkhard Weitz war als chrismon-Redakteur bis Oktober 2022 verantwortlich für die Aboausgabe chrismon plus. Er studierte Theologie und Religionswissenschaften in Bielefeld, Hamburg, Amsterdam (Niederlande) und Philadelphia (USA). Über eine freie Mitarbeit kam er zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" und war mehrfach auf Recherchen in den USA, im Nahen Osten und in Westafrika. Seit November 2022 betreut er als ordinierter Pfarrer eine Gemeinde in Offenbach.

Die alarmierte Polizei brauchte über zehn Minuten, bis sie am Tatort war und muss sich nun zurecht fragen lassen, warum. Der Attentäter erschoss eine Passantin, er bedrohte weitere Personen, er erschoss den Gast in einem nahegelegenen Dönerimbiss, floh vor der eintreffenden Polizei - wurde später in einem Taxi auf der Flucht gestellt.

Der Täter folgte dem Beispiel des Christchurch-Attentäters

Brandanschläge auf Synagogen gab es in Deutschland leider schon viele. Aber einen versuchten Amoklauf auf eine Gottesdienstgemeinde in einer Synagoge, hat es seit 1945 in Deutschland nicht gegeben. Niemand sollte es verwundern, wenn sich Juden in Deutschland wieder unsicher fühlen. Es ist ein Skandal, dass jüdische Einrichtungen überhaupt bewacht werden müssen. Noch mehr: dass sich eine Gemeinde zum Gottesdienst einschließen muss. Das Verbrechen von Halle zeigt: Wir brauchen künftig weitaus mehr Polizeipräsenz dort.

Betrachtet man das Attentat analytisch, lassen sich zwei Dinge jetzt schon mit einiger Sicherheit sagen. Erstens: Der Attentäter von Halle handelte auf eigene Faust - aber als Nachahmungstäter. Er folgte dem Beispiel des Christchurch-Attentäters, der ebenfalls eine Helmkamera trug, um sein Verbrechen live übers Internet zu verbreiten. Dieses Nachahmen kennt man vom Werthereffekt: Berichten die Zeitungen von Selbsttötungen, steigt die Suizidrate. Gleiches gilt für Amokläufe: Berichte über sie schaffen neue Amokläufe. Denn einige Menschen empfinden gerade kein Entsetzen über die Opfer, sondern sie feiern die Täter. Idealerweise bräuchten wir mehr Zurückhaltung in der Berichterstattung - wie bei den Suiziden. Aber solche Attentate totzuschweigen, ist auch kaum vorstellbar.

Jede und jeder kann Ziel von Hassgruppen werden

Zweitens: Der Attentäter von Halle bekannte sich als Antisemit, Rassist und Antifeminist. Er hat sich vorher in entsprechenden Internetforen getummelt. Auch darin gleicht er allen anderen Amokläufern. Ihnen allen dient die Ideologie - egal ob rassistisch, islamistisch oder satanistisch - als Aufputschmittel für ihren irrationalen Hass auf "die anderen" und zur Rechtfertigung ihrer Grausamkeit. Die Ideologie kanalisiert den Hass, lenkt ihn auf bestimmte Opfergruppen - Juden und Muslime, Christen und Ungläubige. Jede und jeder in diesem Land kann Ziel von solchen Hassgruppen werden.

In Sozialen Netzwerken und Foren des Internets stacheln sich Rechtsradikale, Jihadisten, Fans von Schulamokläufern und andere gegenseitig auf, bis irgendwann irgendwo wieder ein Amokläufer loszieht. All diese jungen Männer sind Einzeltäter. Die Hass-Ideologen schicken diese Attentäter zwar nicht los. Sie liefern ihnen aber Stichworte, Ideologie und Legitimation. Das tun Islamisten wie Rechtspopulisten. Wer das nicht will, sollte sich daher von den Ideologen des Hasses egal welcher Couleur klar distanzieren.

Die Neonazi-Szene muss aufgemischt werden

Und was kann der Staat tun? Selbst wenn der Attentäter von Halle auf eigene Faust loszog - als Vorbild dienten ihm auch organisierte Rechtsextreme. Der Staat muss ihnen genauso energisch gegenübertreten wie Islamisten und libanesischen Clans. Die bekannten Neonazi-WGs müssen gefilzt, Waffen beschlagnahmt, Halter ohne Waffenschein hart bestraft werden. Die Szene muss aufgemischt und in Unruhe versetzt werden - damit sie Fehler macht und irgendwann ganz zerschlagen werden kann.

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Es ist zweifellos richtig, die rechtsextreme Szene als Brutstätte für derartige Verbrechen anzusehen und zu bekämpfen. Aber wie steht es denn mit denen in unsererm Lande, welche das israelhassende Regime in Teheran und dessen Vertreter hofieren, wie es z.B. unser Bundespräsident uns allen vormacht ?
Wie soll man es weiterhin beurteilen, daß die alljährlichen anti-israelischen Pogromaufrufe auf den „Al-Quds-Demonstrationen“ offiziell geduldet werden, daß das Brüllen von judenfeindlichen Parolen durch Arabermobs sowie als „Antizionismus“ getarnter linker Judenhaß der "Antifa" achselzuckend kleingeredet werden, daß die Terrororganisation Hisbollah in Deutschland immer noch nicht verboten ist, und daß antisemitische und gewalttätige Organisationen im Nahen Osten mit deutschen Steuer- und Stiftungsgeldern gefüttert werden ? Letzteres auch von der Kirche ...

querdenker Antisemitismus hat viele Gesichter

Ob die erhobenen Vorwürfe stimmen >>oder SO stimmen<< kann ich auf die Schnelle nicht eruieren.

Tatsache ist, dass die Funktionäre der AfD die rote Linie des Sagbaren zwar schleichend, aber immer weiter nach rechts verschieben.

Beispiele würden diese Kommentarspalte sprengen.

MERKE: Rechter Hass und rechte Agitation sind keine Meinungsfreiheit.

Antwort auf von Gerhard Niemeyer (nicht registriert)

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Werter Herr Niemeyer, schauen wir doch einmal, was die Betroffenen selber dazu sagen:
(alle Zitate aus der "Jüdischen Rundschau")

"Auch darüber sollten sich die jüdischen Unterstützer der Etablierten keine Illusionen machen — es ist keinesfalls die Sorge um die Juden oder um Israel, die die etablierten Parteien, ihre Führungsakteure wie Gabriel, Özoguz, Niebe, Steinmeier und sehr viele andere mehr bei ihrer Ablehnung der AfD bewegt. Es ist die Angst der gegenwärtigen Bevormundungs-Elite vor dem ohnehin unvermeidlichen Erstarken dieser von ihnen nicht zu beherrschenden Opposition, die zu alledem auch noch vor allem ein Ergebnis des eigenen politischen Versagens dieser Führung ist.
Eine nachhaltige Vernichtung unseres sich unaufhaltsam nach französischem und belgischen Vorbild fortschreitend islamisierenden Lebensraums für den jüdischen Bevölkerungsteil, besonders für die Generation unserer Kinder und Enkel ist von unseren etablierten Parteien auch ohne Zutun der AfD längst begonnen worden, wird ohne AfD weitergehen .... .“
(JR vom 17.09.2017)
„allerdings müssen sich die Juden nicht wegen der AfD als Nichtjuden verkleiden. Auch hat die AfD nicht einen einzigen Juden umgebracht oder auch nur geschlagen. .... Die AfD hat auch keine jüdischen Schüler von einer deutschen Schule geprügelt. Das haben die Muslime mit Duldung unserer Linken Politik ganz allein und völlig ohne Hilfe der AfD fertiggebracht.“
(JR vom 07.02.2019)
Dem ist nichts hinzuzufügen ....halt, vielleicht doch, wie steht es denn mit linker Hetze und linker Agitation ?

Antwort auf von querdenker (nicht registriert)

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Hallo Querdenker, mir kommen fast die Tränen. Die AfD ist ja eine so kuschelige Partei und hat mit rechten Hetzern wie Herrn Höcke gar nichts zu tun. . . . . . .

In der jüdischen Rundschau kommen Leute wie Hans-Georg Maaßen und der BDS zu Wort. Muss man auch wissen.

Weitere Kommentare erübrigen sich daher in dieser Rubrik.

Antwort auf von Gerhard Niemeyer (nicht registriert)

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In aller Kürze :
# Traugott Schweiger:
Ihr vermeintliches argumentum ad absurdum ist in Wahrheit eine abwegige Hyperbel.Godwin's Law wurde wieder einmal bestätigt ... Wurmstichige Nazi-Keule ...

# Gerhard Niemeyer
- BDS wird in der Jüdischen Rundschau oft genug erwähnt, aber ganz bestimmt nicht in positivem Zusammenhang
- Herr Maaßen gibt auch Interviews in der FAZ- muß ich jetzt mein FAZ-Abonnement kündigen ?

Antwort auf von querdenker (nicht registriert)

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Verehrter Herr querdenker, in aller offenbar notwendigen Ausführlichkeit:

Mit der Erwähnung von Godwin's Law wollen Sie den Vorwurf erheben, ich hätte einen sachlich nicht angemessenen Nazi-Vergleich angestellt. Ihnen ist offenbar entgangen, dass ich überhaupt keinen Vergleich angestellt habe. Das Thema ist das geplante und in die Hose gegangene Massaker an Juden auf Grund der antisemitischen Überzeugung des Täters. Also ist zu diskutieren über Organisationen, die Antisemitismus pflegten und pflegen. Die NSDAP und die AfD sind da einschlägig.

Mit der Formulierung "Keule" bringen Sie zum Ausdruck, dass Ihnen Argumente gegen antisemitische Vorstellungen überhaupt nicht schmecken. Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Es ehrt Sie, dass Sie daraus wenigstens kein Hehl zu machen versuchen. Es bleibt zu hoffen, dass noch einige Keulen zur Sprache kommen werden.

Also nochmal die aktuelle Keule klargestellt: Dass noch keine AfD-Parteigliederung einen Beschluss gefasst hat, Juden zu massakrieren, ist überhaupt kein Hinweis darauf, dass die AfD und andere Rechtspopulisten nicht laufend Vorstellungen in die Welt setzen und am Laufen halten, die den tatsächlichen Attentätern sehr einleuchten.

Traugott Schweiger

Antwort auf von querdenker (nicht registriert)

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"Auch hat die AfD nicht einen einzigen Juden umgebracht oder auch nur geschlagen". Der deutsche Reichskanzler von 1933 bis 1945 hat auch kein einziges Mal seinen Fuß in ein KZ gesetzt. Also war der Führer in der gleichen Weise unzuständig für den damaligen Antisemitismus wie es die AfD für den heutigen ist.

Da ist es unerheblich, ob dieser gefährliche Unfug wieder mal nur ein in PI-Kreisen beliebtes Fake-Zitat ist oder tatsächlich in der Jüdischen Rundschau stand. Unfug bleibt Unfug.

Traugott Schweiger