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Ein Gedicht nicht nur für Kinder
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
21.10.2018

Das Leben eines Kultur-Protestanten ist schwer: Niedergang, wohin man schaut. Aber es gibt auch Lichtblicke und Glücksfälle. Dazu gehört die Zeitschrift „Das Gedicht“. Herausgegeben wird sie seit einem Vierteljahrhundert von dem ebenso kundigen wie unermüdlichen wie selbstlosen wie begeisterten Dichter Anton G. Leitner. Es ist eine unglaubliche Leistung, solch eine Zeitschrift über eine so lange Zeit auf diesem Niveau am Leben zu erhalten. Was diese Zeitschrift aber so besonders macht, ist ihr feiner und freier Sinn für religiöse Töne in der Gegenwartslyrik. Das Jubiläumsheft widmet sich deshalb ganz und gar der „Religion im Gedicht“. Am berührendsten, ergreifendsten und verstörendsten fand ich drei neue Gedichte meiner gegenwärtigen Lieblingsdichterin Dorothea Grünzweig. Ich zitiere sie hier nicht, Sie sollen das aktuelle Heft ja selbst käuflich erwerben, damit die Zeitschrift weiter bestehen kann.

Aber um Ihnen einen Vorstellung davon zu geben, was Sie hier finden können, präsentiere ich Ihnen ein anderes Gedicht. Der renommierte Kinder- und Jugendbuchlektor Uwe-Michael Gutzschhahn (ich hatte vor Jahren das Glück, mit ihm an einem Buch zusammenzuarbeiten) hat für das Jubiläumsheft eine Abteilung von religiösen, religiös-interessierten Gedichten für Kinder zusammengestellt. Am liebsten war mir eines, das die wunderbare, wundersame Kinderbuchautorin Jutta Richter geschrieben hat. Es trägt den Titel „Das Gebet der Fledermäuse“.

Am Morgen sprechen die Fledermäuse

In dunklen Höhlen ihr Nachtgebet

Sie danken dem großen Weltenerfinder

Für Spinnen und Mücken und alles, was schwebt.

 

Sie danken ihm für die lautlosen Stimmen

Für das Echo, den Schatten, die finstere Nacht

Und dass er dort draußen wie auch hier drinnen

Sie schützt, sie behütet und sicher bewacht.

 

Dass der Tisch gedeckt ist, dass Motten schwirren

Dass sie leise segeln im Mitternachtswind

Und dass die Katzen nicht fliegen können

Dafür danke ihm ein jedes Fledermauskind.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur