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Das Leben eines Kultur-Protestanten ist schwer: Niedergang, wohin man schaut. Aber es gibt auch Lichtblicke und Glücksfälle. Dazu gehört die Zeitschrift „Das Gedicht“. Herausgegeben wird sie seit einem Vierteljahrhundert von dem ebenso kundigen wie unermüdlichen wie selbstlosen wie begeisterten Dichter Anton G. Leitner. Es ist eine unglaubliche Leistung, solch eine Zeitschrift über eine so lange Zeit auf diesem Niveau am Leben zu erhalten. Was diese Zeitschrift aber so besonders macht, ist ihr feiner und freier Sinn für religiöse Töne in der Gegenwartslyrik. Das Jubiläumsheft widmet sich deshalb ganz und gar der „Religion im Gedicht“. Am berührendsten, ergreifendsten und verstörendsten fand ich drei neue Gedichte meiner gegenwärtigen Lieblingsdichterin Dorothea Grünzweig. Ich zitiere sie hier nicht, Sie sollen das aktuelle Heft ja selbst käuflich erwerben, damit die Zeitschrift weiter bestehen kann.
Aber um Ihnen einen Vorstellung davon zu geben, was Sie hier finden können, präsentiere ich Ihnen ein anderes Gedicht. Der renommierte Kinder- und Jugendbuchlektor Uwe-Michael Gutzschhahn (ich hatte vor Jahren das Glück, mit ihm an einem Buch zusammenzuarbeiten) hat für das Jubiläumsheft eine Abteilung von religiösen, religiös-interessierten Gedichten für Kinder zusammengestellt. Am liebsten war mir eines, das die wunderbare, wundersame Kinderbuchautorin Jutta Richter geschrieben hat. Es trägt den Titel „Das Gebet der Fledermäuse“.
Am Morgen sprechen die Fledermäuse
In dunklen Höhlen ihr Nachtgebet
Sie danken dem großen Weltenerfinder
Für Spinnen und Mücken und alles, was schwebt.
Sie danken ihm für die lautlosen Stimmen
Für das Echo, den Schatten, die finstere Nacht
Und dass er dort draußen wie auch hier drinnen
Sie schützt, sie behütet und sicher bewacht.
Dass der Tisch gedeckt ist, dass Motten schwirren
Dass sie leise segeln im Mitternachtswind
Und dass die Katzen nicht fliegen können
Dafür danke ihm ein jedes Fledermauskind.