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Vielleicht haben Sie es mitbekommen: Mitten in Berlin soll wieder eine Mauer gebaut werden. Das aus Russland kommende Kunstprojekt „DAU“ will einen temporären Ort des Totalitarismus schaffen – mit Soldaten, Spitzeln, Überwachung und einer Mauer drum herum. Das soll den Besuchern, die mit einem nicht ganz billigen Visum hineinkommen können, einen Eindruck davon vermitteln, wie das so ist, in einem totalitären Staat zu leben. Ob das nun Kunst ist und eher etwas, das man „Empathie-Training“ nennen sollte und in die Moralpädagogik gehört, mögen andere entscheiden. Auf jeden Fall dürfte es ein Touristenmagnet werden. Vorausgesetzt, dass die Berliner Behörden es genehmigen.
Das aber ist noch offen. Denn die evangelische Friedrichswerdersche Kirche hat Protest eingelegt. Sie liegt mitten in dem ausgewählten Areal und soll bald von einer DDR-Mauer umgeben werden. Mit ihr geredet hat keiner. Vor wenigen Tagen bekam sie per Post das Formular zur Einverständniserklärung zugeschickt. Pikant dabei ist, dass diese Kirche vor gar nicht langer Zeit sehr schlechte Erfahrungen mit rücksichtslosen Nachbarschaftsprojekten gemacht hatte. Sehr teure Wohnimmobilien wurden in ihrer unmittelbaren Nähe in den Boden gerammt und zwar so, dass sie durch die Bauarbeiten in ihrer Struktur schwer beschädigt wurde – ein richtiger Berliner Bauskandal! Während die Sanierungsarbeiten nun in die Schlussphase gehen, kommt jetzt mit einer vergleichbaren Ruppigkeit ein Kunstprojekt über sie her. Und wieder hat man in der Gemeinde den Eindruck, dass kein Verantwortlicher sie hören und ihre Rechte achten will. Und dies bei einem Projekt, das von Kirchenmenschen mit DDR-Erfahrung auch als ziemlich geschmacklos empfunden werden kann. Aber wer weiß, vielleicht schaut die Berliner Politik dieses Mal etwas besser hin.
Es ist 30 Jahre her, dass auch aus den Kirchen Ostdeutschlands der Ruf laut wurde: „Die Mauer muss weg!“ Jetzt sollte es heißen: „Diese Mauer soll gar nicht erst her!“