Kann man sich ändern? Dünner, netter, aufgeräumter werden?
Man kann. Aber ein neuer Mensch werden, und zwar sofort, das geht schief
15.11.2010

Der Beginn eines neuen Jahres ist Gelegenheit, sich über sich selber Gedanken zu machen. So neu scheint alles, dass man am liebsten auch so frisch daherkäme wie die noch fast unangebrochenen zwölf Monate. Also endlich überflüssige Pfunde los-und schlank werden. Das Chaos im Arbeitszimmer könnte man in eine anhaltend repräsentable Ordnung überführen oder sich künftig in Gesellschaft mit albernen Sprüchen zurückhalten. Wie wäre es, sich wirklich mehr Zeit für sich selbst, für Partner und Familie zu nehmen? Ach ja - ein anderer Mensch werden, Tabula rasa machen mit allem, was sich angesammelt hat an Eigenheiten und Verhaltensweisen, die zur Last geworden sind.

Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert

Geht das überhaupt? Ein anderer Mensch werden? Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, heißt es. Einleuchtend ist dieser Satz zunächst nicht. Wenn man sich vornimmt, mehr Sport zu treiben, sich weniger abzuhetzen, nicht immer gleich in die Luft zu gehen und anderen eigene Ansichten wie einen nassen Lappen um die Ohren zu hauen, Spanisch zu lernen, dann sind das vernünftige Absichten, die sich durchaus verwirklichen lassen. Sie führen nicht stracks in den Himmel, aber auch keineswegs in den Abgrund - eher hin zu der Person, die man gern wäre: gesund, gelassen, geistreich, unterhaltsam, respektvoll.

Das kann jeder: an sich arbeiten, den inneren Schweinehund besiegen, der einem faul ins Hirn bläst: "Bleib, wie du bist."

Sich ändern ist möglich - und es macht auch Spaß

Nein, sich ändern ist möglich - und es macht auch Spaß, neue Seiten an sich zu entdecken: Statt streitsüchtig in Konflikte zu stürmen, freut man sich, wenn einem plötzlich die Rolle des Friedensengels wie auf den Leib geschneidert erscheint. Was für ein Gefühl! Bloß: Manchmal nimmt man sich zu viel auf einmal vor. Der ganze Mensch will sich ändern und zwar sofort. Wie kann man fünf Kilo in der Woche verlieren? Nicht FdH, das dauert zu lange, das geht nur radikal. Man verkrampft sich, damit kein freches Wort den eigenen Lippen entfleucht. Gezwungen von sich selbst, verzichtet man auf Fernsehen oder noch mehr Arbeit, wird schlecht gelaunt, weil einem der tolle Spielfilm entgeht oder die Bügelwäsche durch Liegenlassen nicht weniger wird.

Das Leben wird tatsächlich zur Hölle, wenn man sich unter Erfolgszwang setzt. Wer sich ändern möchte, braucht Zeit und Geduld mit sich selbst. Es hat schließlich auch ziemlich gebraucht, bis man sich all die fragwürdigen Charakterzüge und Gewohnheiten zugelegt hat, die jetzt auf einen Schlag verschwinden sollen. Der evangelische Pfarrer Johann Caspar Lavater, der im 18. Jahrhundert in der Schweiz lebte, sagte einmal weise: "Siehe zuerst, was du bist und was du hast und was du kannst und weißt, ehe du bedenkst, was du nicht bist, nicht hast, nicht weißt und nicht kannst." Also: erst einmal auf das schauen, was einen auszeichnet. Das ist eine gute Basis, um sich weiterzuentwickeln.

Leben bedeutet nicht Stagnation

Leben bedeutet nicht Stagnation - das wäre der Tod der eigenen Persönlichkeit -, sondern Dynamik und Schwung. Wir sollen, biblisch gesprochen, mit den eigenen Pfunden wuchern. Aber selbstverständlich gibt es auch Grenzen, die einem gesetzt sind. Wer kaputte Füße hat, wird nicht zum Wandersmann. Eine introvertierte Frau, der Feste ein Gräuel sind, entwickelt sich selten zur kommunikativen Partylöwin. Man kann sich verändern - aber nicht sich selbst erlösen von allem, was eben auch zu einem gehört. Wozu auch? Von Gott wird in der Bibel der Satz überliefert: "Ich will euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein" (2. Kor 6,18). Wenn schon die oberste Instanz im Himmel und auf Erden unsereinen liebevoll anerkennt, dann könnte man sich selber doch auch ganz entspannt anschauen ...

 

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