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Bis 1912 hieß es in der Lutherbibel: „Ärgert dich dein rechtes Auge, so reiß es aus.“ Dann fand man das griechische „skandalizei“ mit „ärgern“ zu harmlos übersetzt und legte nach: „Verführt dich dein Auge zum Abfall . . .“ Wir fanden bei der erneuten Revision das pure Verb noch stärker: „Verführt dich dein Auge . . .“
Die Übertreibung, man solle das Auge ausreißen und die Hand abhauen, macht klar, wie gefährlich die Macht der Verführung ist. Ein anderes Sprachbild: Man reicht nur einen Finger, und schon wird man ganz in eine Sache hineingezogen. So glaubten einige DDR-Pfarrer, als Informelle Mitarbeiter der Stasi politisch etwas bewirken zu können – und merkten dann nicht, wie gefährlich scheinbar harmlose Aussagen in der Giftküche der Stasi wurden.
Ein Kirchvorsteher sagte mir: „Das erste Nein ist das leichteste.“ Ich glaubte, das gelte nur für die DDR. Aber natürlich kann man das überall auf der Welt erleben. Manche Leute verlieren den Sinn für Anstandsgrenzen auch deshalb, weil Regenbogenpresse und Werbung die zerstörerische Kraft erotischer Fantasie kleinreden. Gut, wenn Frauen sich mit der „Me too“-Kampagne öffentlich gegen übergriffige Männer wehren.