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Im Zuge von #MeToo wird in der Kulturszene intensiv darüber gestritten, welche Filme man noch vorführen und welche Gemälde man lieber abhängen sollte. Das sind anstrengende, aber auch notwendige Debatten. Mal sehen, wohin sie führen.
Was mich nur stört, ist ein befremdliches Ungleichgewicht. Mit großer medialer Anteilnahme wird darüber gestritten, ob man einzelne Kunstwerke (Gedichte an Häuserwänden oder Gemälde in Museen) aus dem Verkehr zieht – wofür es im Einzelfall durchaus Gründe geben kann. Zugleich aber treten Bilder, die ganz unkünstlerisch daherkommen und massiv mit sexueller Gewalt zu tun haben, immer offensiver in den öffentlichen Raum – und niemand spricht darüber. Als ob keiner diese Bilder sehen könnte.
In meinem ansonsten gesitteten Stadtteil dreht sich seit Jahren an einer belebten Kreuzung auf einer Litfaßsäule ein Plakat, das für ein Bordell wirbt – noch halbwegs gesittet im Vergleich zu den riesigen Großpuffwerbungen, die man gar nicht übersehen kann, wenn man von Autobahnen abfährt oder durch Gewerbegebiete eilt. Raumgreifend und weithin sichtbar wird hier ein Bild von Frauen und Sexualität in den öffentlichen Raum gesetzt, das schlicht menschenverachtend ist.
Nun weiß ich, dass man ein Übel nicht durch ein anderes relativieren soll. Aber es ist doch seltsam, welch große Aufmerksamkeit einzelne, vielleicht problematische Kunstwerke erhalten und wie wenig man sich über industriell betriebene Massenprostitution bekümmert, obwohl sie sich nicht verschämt versteckt, sondern überaus selbstbewusst präsentiert. Wie ist dieses Ungleichgewicht zu erklären? Liegt es daran, dass die Kunden „normale“ deutsche Männer sind und die leidtragenden Frauen aus armen Erdteilen stammen und oft nicht unsere Sprache sprechen? Ich meine, dass mehr #TheyToo sinnvoll wäre.