In Bilbao hängen an vielen Fenstern weiße Tücher, Plakate oder Fahnen. „Etxera“ steht darauf, das baskische Wort für „nach Hause“. Eine Einheimische erklärte mir später den Hintergrund: Die circa 350 inhaftierten Mitglieder der Untergrundorganisation ETA sind in Gefängnissen untergebracht, die weit außerhalb des Baskenlandes liegen. Um sie zu besuchen, müssen die Angehörigen Hunderte von Kilometern weit fahren. Mehrere Dutzend von ihnen, so erzählte sie, seien bei Straßenunfällen ums Leben gekommen. Diese Toten auf den Landstraßen nennen einige hier die Rache des Staates.
Die ETA hat jahrzehntelang für die Unabhängigkeit des Baskenlandes von Spanien gekämpft. Mehr als 800 Menschen wurden dabei ermordet. Der bewaffnete Kampf ist vorbei. Die Organisation erklärte 2011, auf Gewalt zu verzichten, und gab in diesem Jahr ihre Waffenverstecke preis. An der Unterbringung der Gefangenen hat sich dadurch nichts geändert. „Etxera“ steht für die Forderung, die Gefangenen, ins Baskenland zu verlegen. Im Bilbaos Vorort Getxo, in dem ich lebe, demonstrieren ein paar Leute jede Woche an verschiedenen Plätzen ebenfalls dafür. Es sind nicht viele, aber sie sind sehr beharrlich dabei.
Insgesamt aber hat die ETA im Baskenland nur noch wenig Rückhalt. Der Streit um die Autonomie geht ohne
sie weiter. Die Region hat bereits erheb-
liche Selbstverwaltungsrechte, doch viele Menschen wünschen sich völlige Eigenständigkeit und eine Abstimmung wie in Katalonien. Das dortige Referendum begleiteten hier Tausende mit Sympathiekundgebungen.
Baskische Separatisten planen nun eine Art unverbindliche Bürgerbefragung. Sie wollen eine einzige Frage stellen: „Wollen Sie, dass die baskische Bürgerschaft über ihre politische Zukunft selbst frei entscheiden kann?“ Ein vielleicht medienwirksames Spektakel, aber keines mit gutem Ausgang, so fürchte ich.