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im Garten? . . . Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott
und wissen, was gut und böse ist.“ ...
In der Regel wird das dritte Kapitel des Genesisbuches als „Sündenfallgeschichte“ gelesen. Eva und die Schlange bringen Verderben über die Menschen. So verstanden konnte der Text zum Ausgangspunkt einer frauenfeindlichen Theologie der Sünde werden: Frauen, Sexualität, Lust und Leidenschaft werden dämonisiert. In manch einem Kopf wird Eva gar zum Einfallstor des Todes. Aber stimmt denn das? Gibt das die Geschichte her? Juden lesen denselben Text anders. Sie verstehen ihn als Auseinandersetzung um Erkenntnis und Sexualität. Die gelehrten jüdischen Interpretinnen und Interpreten der Bibel sind den Geschichten schon immer mutig, manchmal draufgängerisch begegnet. Ihr Gespräch mit der Bibel, wie sie ihre Kunst des Bibellesens verstanden, setzt sich bis in die Gegenwart fort. Widerspruch ist erlaubt, Hintersinn und Witz sind willkommen! Bei Eva und der Schlange ist es so, dass selbstverständlich das Vorspiel beachtet werden muss. Sieh da! In Genesis Kapitel 2 erblickt ein geschlechtsloses Wesen aus Erde (hebräisch: Adamah) und Atem das Licht der Welt. Es lebt nah bei Gott in tiefer Gleichgültigkeit vor sich hin. Gott muss zur Einsicht gedrängt werden, dass unter den Tieren keine Gesellschaft für den Erdenwurm ist.
Sieg der Erotik über das langweilige Paradies
Ein anderer Mensch muss her. Aber selbst nach dem Wunder aus der Rippe und der Unterscheidung der Geschlechter (jetzt wird das Erdwesen zu Mann und Frau) bleiben die Verhältnisse im Paradies leidenschaftslos. „Obwohl die beiden nichts anhatten, der Mann und seine Frau, schämten sie sich nicht.“ Die Rabbiner und Rabbinerinnen betonen, dass dieser letzte Vers wie eine Brücke zur Schlangengeschichte hinüberführt. Denn da geht es gleich wieder um nackte Tatsachen. Die kluge und nackte Schlange kommt ins Spiel! Das hebräische Wortspiel aus den gleich klingenden Worten „nackt und schlau“ (beides: „arum“) lässt die Schlange zum doppeldeutigen Hinweis werden. Es geht um Fruchtgenuss und Verzehr, um die Folgen der Schönheit und des Verstehens, nicht um Sünde! Das ganze Gespräch läuft auf den Sieg der Erotik über das langweilige Paradies hinaus. Eva isst von der Frucht und ihr Mann auch.
Sie bekommen nichts von dem, was sie erwartet hatten, weder die versprochene Urteilskraft über Gut und Böse (bis heute urteilen wir meistens falsch!), noch bleiben sie auf ewig jung und lebendig. Aber sie entdecken und erkennen einander, und damit geht alles los. Aus ergebener Nähe zu Gott wird ein spannungsreiches Verhältnis. Aus friedlichem Gärtnern unter Bäumen wird harte Arbeit auf widerspenstiger Erde. Begehren wird zum leidenschaftlichen Kampf der Geschlechter und Gebären zum Schmerz der Frauen. Das Tor zum Paradies: verschlossen. Die Vertreibung ist endgültig, aber es ist die Vertreibung in die Freiheit.
Und die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte, und sprach zu der Frau: „Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen
im Garten? . . . Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott
und wissen, was gut und böse ist.“ ...