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Angekommen am Tempel ist keine Zeit für Stille und Gebet. Wer noch nicht gemerkt hat, dass Jesus in der Stadt ist, wird es nun hören und sehen: Jesus geht hinein und stößt die Tische der Händler um, Tauben flattern panisch in ihren Käfigen, Händler leisten Widerstand, Jesus treibt sie vor sich her. Die Münzen der Geldwechsler fallen scheppernd auf den Steinboden. Geschrei, Gerenne und Getümmel. Dazwischen Kinder, die versuchen, einige Münzen zu erhaschen. Gut gehüteter Besitz verteilt sich um. Arme werden reich und Reiche arm. Was für ein Lärm! Mittendrin Jesus: „Ihr habt aus dem Bethaus eine Räuberhöhle gemacht!“ Die Honoritäten schäumen vor Wut. Ist ihm gar nichts mehr heilig? Wie weit wird er das Volk aufwiegeln? Bevor er kam, war mehr Ruhe für Gebet. Und das Volk feiert, die Kinder schreien, alles rennt durcheinander. Alles, was eben noch ehrerbietend und furchteinflößend war, ist nun Gegenstand von Spott und Spaß.
Es sind Blinde und Lahme im Tempel. Jesus heilt sie fast nebenbei in all dem Chaos. Kein Hinweis, wer sie sind, kein Bericht, wie es geschieht. Die Kinder schreien es heraus! Das Chaos im Tempel ist mehr als nur Spaß und Lärm, es ist schöpferisch. Eine neue Welt wird in all der Unordnung sichtbar, aber nur für jene, die es sehen können: Münzen scheppern in den Taschen der Armen, die Kinder führen das große Wort, und die Erstarrten und Erlahmten werden plötzlich beweglich und lebendig. Und die Blinden sehen. Steht die Welt Kopf, oder wird sie einfach nur wieder auf die Füße gestellt? Nun schreien die Kinder auch noch Hosianna. Halb erlernt vom großen Einzugstheater mit Esel und in kindlich begeisterter Ernsthaftigkeit: Dies ist ein König der Kinder. Aber der Sohn Davids?
Die Bewahrer der alten Ordnung entrüsten sich: Er muss doch merken was die Kinder da schreien, und dass er zu weit geht. Sie halten ihn nicht für irre. Dafür spielt er zu gekonnt mit der Heiligen Schrift. Sie sehen, was das Volk nicht erkennt: alle seine Taten sind voller Anspielungen an die Schriften der Propheten. Er muss - wie sie - ein Schriftgelehrter sein. Ein intelligenter Scharlatan, der sich über die Verheißung des Messias lustig macht.
Die Bewahrer der Ordnung sind klug und studiert. Sie sind ernsthaft bemüht. Zu meinen, sie wären nur am eigenen Vorteil interessiert wird ihnen bei weitem nicht gerecht. Aber sie fürchten das Chaos. Jesus zeigt kein Verständnis für ihre Vorwürfe: Sie sind gefangen in ihrer Sorge um die Ordnung. Sie denken, dass er die Welt auf den Kopf stellt. Dabei stellt er sie zurück auf die Füße. Sie können nicht verstehen, was die Kinder erkennen: Dieser ist der Sohn Davids! Derjenige, der alles wieder zu Recht bringt.
Und Jesus, der König der Unmündigen und Säuglinge, der König der Kleinen lässt die Schriftgelehrten stehen und geht zur Stadt hinaus. Es wird still, und es wird Nacht.
Und es kamen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel, und er heilte sie. Als aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien und sagten: Hosianna, dem Sohn Davids!, entrüsteten sie sich und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus sprach zu ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen: "Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet"? Und er ließ sie stehen und ging zur Stadt hinaus nach Bethanien und blieb dort über Nacht.