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Bewertung
Es war ein schwieriges Jahr für die Weinbauern. Der feuchtwarme Frühsommer hatte mit seinen Gewitterregen dem „falschen Mehltau“ beste Bedingungen geboten: einem Pilz, der die Blätter vertrocknen und die Beeren am Stock verschrumpeln lässt. Unterjesingen im Ammertal, ein früher fast ganz vom Weinbau lebendes Dorf bei Tübingen, ist mit einem blauen Auge davongekommen.Die Weinlese fiel besser aus als befürchtet. Vielleicht ist deshalb der Erntedankgottesdienst Anfang Oktober in der Barbarakirche so gut besucht.
Vor dem Altar liegen Kürbisse, Rüben, Äpfel, Kartoffeln, sogar abgepackte Nudeln vom Supermarkt – aber keine einzige Traube. Und das in einem Weindorf! Pfarrerin Karen Schepke hat sich zwei Stellen aus dem Neuen Testament vorgenommen. Zunächst das Gleichnis aus dem Matthäusevangelium von den ungleich verteilten Gaben: „Denn wer da hat, dem wird gegeben.“ Karen Schepke bringt ihre Botschaft auf den Punkt: „Wer Ressourcen zurückhält, schadet der Welt.“ Sehr knapp. So ganz zufrieden ist der Kirchgänger zwar noch nicht mit der Auslegung. Aber da ist die Pfarrerin gedanklich schon weitergeeilt.
Die Gründe, Gutes zu tun
Sie muss in diesem Gottesdienst noch eine Taufe feiern und eine eher peinliche Schauspieleinlage überstehen: „Maler Klecksel malt einen Apfel.“ Und der gemischte Chor will auch noch zu seinem Recht kommen. Ein bisschen viel Programm für nur eine Stunde. Für die Lesung aus dem 2. Korintherbrief nimmt sich die Pfarrerin mehr Zeit: „Wer im Segen sät, wird im Segen ernten.“ Wer Zeit, Geld oder Dinge spendet, wer sich in der Flüchtlingsarbeit engagiert, kann das aus unterschiedlichen Gründen tun: Selbstdarstellung, Erwartung von Dankbarkeit, schlechtes Gewissen. Der beste aller Gründe ist, sagt Schepke sinngemäß, es ohne Grund zu tun. Aus Freude am Teilen. Ohne Zwang und Hintergedanken. Denn, so sagt sie: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“
Die Gemeinde singt Lied Nummer 324 aus dem württembergischen Gesangbuch. „Wer macht es, dass man Öl und Most zu seinen Zeiten find’t? – Ach Herr, mein Gott, das kommt von dir, du, du musst alles tun.“ Am Vortage hat der Kirchgänger selbst in seinem Weinberg die Trauben gelesen und einen guten Ertrag erzielt. Bei seinem Nachbarn hat der Pilz allerdings alle Stöcke vernichtet. Nun bringt ihn der Erntedankgottesdienst auf die Idee, dem Nachbarn vom eigenen Wein abzugeben. Ganz fröhlich. Danke, Pfarrerin Schepke, für die gute Anregung!
Zur Gemeinde
Evangelisches Pfarramt Unterjesingen
Kirchhalde 2
72070 Unterjesingen
Pfarrerin Karen Schepke
Telefon: 07073 / 6226
pfarramt.unterjesingen@elkw.de