Diakoniepräsident Ulrich Lilie auf einer Bank
Foto: Thomas Meyer / Ostkreuz
Fragen an "Deutschlands obersten Flüchtlingshelfer"
Ihre Fragen zu Flüchtlingen in Deutschland. Und neue Anregungen eines Fachmanns für alle, die darüber debattieren, welcher Weg der richtige ist: Am 26. Januar 2016 wurde das Forum geschlossen.
Thomas Meyer/Ostkreuz
01.01.2016

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie koordiniert einen großen Teil der Hilfe für Flüchtlinge in Deutschland. Nach einem Interview mit "Deutschlands oberstem Flüchtlingshelfer" (chrismon 11/2015) erreichten uns eine Vielzahl an Kommentaren und Leserbriefen. Wir wollen die kritischen Meinungen, besorgten Bürger und offenen Anschuldigungen nicht verschweigen - stattdessen beantwortete Ulrich Lilie direkt alle Fragen zur "Flüchtlingskrise".

Auszüge aus den Fragen und Lilies Antworten:

"Ruinieren die Flüchtlinge die Sozialkassen?"

gestellt von Jochen Blankenburg am 11. November 2015

Ich erlaube mir, Sie auf einige peinliche Irrtümer hinzuweisen, die einem intelligenten Wissenschaftler eigentlich nicht unterlaufen dürften! Die vorliegenden Zahlen besagen, das 80 % der Ankömmlinge Analphabeten sind, die noch nicht einmal ihre Heimatsprache lesen oder schreiben können! In den nächsten 5 Jahren strömen 20 Millionen, vor allem primitive Analphabeten aus Afrika, in die BRD! „Migration erzeugt mehr Migration“! Integration objektiv unmöglich! [...] Statistik des BKA: Seit 5 Jahren hat sich die Zahl der Wohnungseinbrüche verdoppelt, auf 120 000 in 2014, die Zahl der Taschendiebstähle ebenso auf 1 Mio. Die Täter: Durchweg Ausländer, sofern gefasst, denn die Aufklärungsquote liegt je nahe Null: 6 %!!! Städte wie Berlin, Frankfurt, Offenbach, Duisburg, Bonn, werden von Banden der Ausländer- Rauschgift-Mafia beherrscht. [...] Sie wiederholen die alte Merkel-Lüge. [...] Denn diese Fälschung „die Flüchtlinge spülen mehr in die Kasse als sie jemals herausholen“ beruht auf der alleinigen statistischen Bewertung der bisher zugewanderten, allen Deutschen ausnahmslos willkommenen EU-Bürger (griechisches Restaurant, italienische Eisdiele, usw.). Für die Flüchtlinge gilt das Gegenteil, s.o.! Sie ruinieren die Sozialkassen, entleeren die Staatskasse, und zwingen die BRD in eine neue Verschuldungswelle. [...]

Lilie: Vielleicht überlegen Sie einen Augenblick, was Sie so kopflos und so unreflektiert in Ihrer Wortwahl werden lässt? [...] Einen kurzen Hinweis zu Ihrem " Expertenwissen" möchte ich aber geben: Ohne den wunderbaren Beitrag von 6000 - 7000 € von jeder Migrantin und jedem Migranten pro Jahr wäre unser deutsches Sozialsystem längst in den allergrößten Schwierigkeiten.Vielelicht checken Sie auch einmal diese Fakten? Und dann haben Sie doch sicher auch die aktuelle Recherche des Innenministers zur Kriminalitätsstatistik zur Kenntnis genommen? Es gibt  nicht einen Anhalt für die Behauptung ( warum wird trotzdem daran festgehalten?), dass die Kriminalitätsrate unter Flüchlingen höher sei, als die unter der einheimischen Bevölkerung. Also bitte keine falschen Behauptungen und furchtbare Vereinfachungen, sehr geehrter Herr Blankenburg!.... Weiterlesen.


"Sollen wir rückwärtsgewandte Ansichten des Islam übernehmen?"

gestellt von Klaus H. am 4. November 2015

"Der Zustrom an Flüchtlingen wird vieles verändern, auch uns", sagen Sie, Herr Lilie (chrismon 11/2015). In welche Richtung sollen wir uns denn verändern? Sollen wir einige sehr rückwärtsgewandte Ansichten des Islam als gegeben hinnehmen oder übernehmen?

Lilie: Selbstverständlich verändert jede Begegnung, in der sich Menschen aufeinander einlassen. [...] Ich habe bei Gesprächen mit jungen unbegleiteten Flüchtlingen sehr häufig sehr beeindruckende Menschen kennengelernt, die trotz der schrecklichen Dinge, die sie erlebt haben, dankbar und mit viel Zuversicht und Engagement Deutsch gelernt hatten und in den Schulen oder bei ihren Ausbildungen zu den Besten gehörten. Der Islam hat sehr viele Gesichter. Ich erinnere mich sehr gerne an medizinethische Diskussionen mit sehr differenziert argumentierenden islamischen Ethikern. Die Gastfreundschaft und die Hilfsbereitschaft in vielen islamischen Ländern hat mich immer wieder berührt. [...] Navid Kermani hat vor wenigen Wochen eine sehr lesenswerte Rede in der Paulskirche gehalten - über welchen Islam sprechen Sie? Ich bin sicher, dass Deutschland in einer globalisierten Welt keinen Gartenzaun um eine wie auch immer zu beschreibende Identität ziehen kann, dass Vielfalt eine Bereicherung und zugleich eine Herausforderung ist, von der dieses Land in seiner Geschichte immer wieder in besonderer Weise profitiert hat. [...] Dieser gemeinsamen  Ausgestaltung mit allen Menschen guten Willens sollten wir uns ohne  Naivität , aber auch ohne Angst stellen. Fundamentalisten jedweder Couleur wollen wir zusammen deutlich machen, dass wir dabei die Menschenrechte genauso wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht zur Debatte stellen werden.... Weiterlesen.
 

"Sind die Deutschen schuld an der Flüchtlingskrise?"

gestellt von Klaus B. am 4. November 2015

Warum schieben Sie uns Deutschen die Schuld in die Schuhe: Wir würden den Klimawandel verursachen. Wegen des Klimawandels kommen derzeit nicht Zehntausende täglich über unsere Grenze. Auch unsere Kirchen haben plump für den „Ausstieg“ plädiert - und damit der Klimaverschlechterung nach geholfen. Kritisieren Sie nicht die Falschen?

Ulrich Lilie: Die weltweiten Klimaveränderungen, die Rolle Deutschlands im weltweiten Marktgeschehen, die deutschen Rüstungsexporte, aber auch viele Versäumnisse in einer früher möglichen Ressetlement - Politik sind mitauslösende Faktoren für viele Konflikte und aktuelle schwierige Entwicklungen. Wir verbrauchen in Deutschland mehr  Energie als die meisten  afrikanischen Länder zusammen, selbstverständlich ist das auch mit Schadstoffausstoss verbunden..... Weiterlesen.


"Haben Deutsche kein Recht auf Heimat mehr?"

gestellt von Jörg Bader am 13. November 2015

Eltern, deren Kinder in überfüllte Schulklassen gehen müssen, in denen viele Kinder kein Deutsch sprechen, sagt Herr Lilie, „dass wir einige Zumutungen in den nächsten Jahren aushalten müssen.“ (chrismon 11/2015). Das ist in meinen Augen im höchsten Maße zynisch! Denn die Kinder, die kein Deutsch sprechen, werden sich nicht gleichmäßig über alle Bevölkerungsschichten verteilen. Es werden die Armen und Alten sein, die in Mietshäusern wohnen, in denen sie ihre Nachbarn nicht mehr verstehen. Und es werden die sowieso sozial benachteiligten Kinder und Jugendlichen sein, die in Schulen gehen, in denen man Deutsch nicht lernt, sondern verlernt. Haben für Herrn Lilie denn Deutsche kein Recht auf Heimat mehr?

Lilie: In allen Gesprächen mit der Politik oder vor Ort treffe ich auf Menschen, denen es ein großes. Anliegen ist, dass es in Deutschland nicht zu einer Konkrrenz zwischen den Schwächsten kommt. Gleichwohl bin ich davon überzeugt, dass wir Deutschen alle einen besonderen Beitrag zur Bewältigung dieser epochalen Herausforderungen leisten müssen, das bedeutet auch eine neue Qualität von Teilen. Anderenfalls drohen uns sehr viel ernstere Probleme  und Konflikte in der Welt und noch viel mehr Flüchtlinge sowie wenig zu kontrollolierende internationale Konstellationen, die sich unmittelbar auf unser Leben auswirken werden. Über die damit verbundenen nach meiner Überzeugung verkraftbaren - Zumutungen - sollten wir offen sprechen. Selbstverständlich auch über schwierige oder nicht zu akzeptierende Entwicklungen. In Berlin werden aktuell viele Kalssen für die Flüchtlingskinder eingerichtet, die besondere Förderangebote enthalten. Diese Kinder behindern die anderen Kinder also eben nicht. Die Nöte der einen gegen die Nöte der anderen auszuspielen hilft aber auch nicht..... Weiterlesen.

[...] Wenn ich Ihre Antwort unter "Sprachprobleme" richtig interpretiere, war Ihre implizite Antwort: Ja, wir haben als Deutsche kein Recht mehr, auf eine Heimat in deutscher Kultur und Sprache. Ich sehe das anders als Sie. Ich denke, wir haben durchaus das Recht, unsere Hilfe für Flüchtlinge so zu gestalten, dass wir bei unserer eigenen Kultur bleiben können. Denken Sie bitte an den barmherzigen Samariter. Auch er gestaltet seine Hilfe so, dass er sein eigenes Leben weiterführen kann.

Lilie: Selbstverständlich haben wir ein Recht auf Heimat, Kultur und Sprache. [...] Nach meiner Auffassung muss auch die deutsche Gesellschaft auf der Grundlage des Grundgesetzes immer wieder neu aushandeln, wie  die unterschiedlichen Lebensstile, kulturellen Prägungen und Werte ihrer Mitglieder zu einer kulturellen Identität [...] werden. Dabei gilt die goldene Regel, dass die Ausübung der eigenen Freiheitsrechte mit der Einschränkung der Freiheitsrechte Dritter ihre Grenze erfährt. [...] Unsere Sprache und unsere Kultur ist in der Vergangenheit durch solche Prozesse zu einem Reichtum gelangt, der ohne " fremde" Einflüsse nie entstanden wäre. Sprache und Kultur entwickelt sich, sind immer im Werden. Das Christentum wäre ohne seine jüdischen Wurzeln, die altgriechische Philosophie und die Einflüsse der islamischen Denker heute nicht das, was es ist. [...] Ich ängstige mich nicht davor, ich freue mich an dieser Vielfalt und empfinde sie als 'geistige Heimat'.

Hier geht es zur vollständigen Antwort von Ulrich Lilie.

 

"Vernachlässigen unsere Kirchen die eigenen Gläubigen für die Flüchtlinge?"

gestellt von Bernd Z. am 4. November 2015

Welchen Nutzen haben die Kirchen vom Zustrom von Millionen von Flüchtlingen? Keinen. Unsere Kirchen werden keinen Nutzen haben von diesen Flüchtlingen. Ja, sie werden die eigenen Gläubigen vernachlässigen müssen, um sich, wie es schon geschieht, hauptsächlich mit der Unterbringung von Flüchtlingen anderen Glaubens zu befassen.

Lilie: In der Bibel leitet die Einsicht, dass die Fremden unsere Gemeinschaft bereichern, dass sie uns an unser eigenes Fremdsein in unserem Leben erinnern. Ja, der christliche Gott selbst sagt im Matthäusevangelium: ich bin fremd gewesen und Ihr habt mich aufgenommen. Das bedeutet, dass wir gut beraten sind, wenn wir vermuten, dass uns unser Gott in Gestalt dieser Fremden begegnen möchte. Und das hätte dann doch etwas mit "unsererer" Kirche zu tun?.... Weiterlesen.

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