Niemand soll erfahren, wann Frank van den Bleeken sterben wird. 48 Stunden vor seinem Tod wird der Belgier aus der Haft entlassen und in ein Krankenhaus verlegt, um sich von seinen Angehörigen verabschieden zu können. „Was immer ich getan habe, ich bleibe ein Mensch und deswegen sage ich: Gewährt mir Sterbehilfe!“, fordert er. Nun hat ein Gericht seinen Antrag auf aktive Sterbehilfe gebilligt.
Hinter dem Fall steht ein Komplettversagen der belgischen Justiz. Frank van den Bleeken verübte in den achtziger Jahren fürchterliche Verbrechen; er ermordete eine Frau und vergewaltigte andere. Den Richtern zufolge war er krank – und schuldunfähig. Weil es in Belgien zu wenige Therapieplätze für Menschen wie van den Bleeken gibt, saß er drei Jahrzehnte ohne Behandlung im Gefängnis. Er sei weiter gefährlich, sagt van den Bleeken über sich, sexuelle Zwangsvorstellungen quälten ihn. Zuletzt verweigerten ein Gericht und das Justizministerium eine Verlegung in eine niederländische Einrichtung, die ein Therapieangebot gemacht hatte. Das ist – zumal innerhalb der Europäischen Union – ein Skandal.
Nun will van den Bleeken lieber sterben, als mit seiner Krankheit zu leben. In Belgien existiert seit gut zehn Jahren ein weit gefasstes Recht auf aktive Sterbehilfe. Auf eigenen Wunsch getötet werden kann nicht nur, wer eine tödliche Krankheit im Endstadium hat – sondern auch, wer unter unerträglichen psychischen Krankheiten leidet.
Ist das alles weit weg? Nein. Auch in Deutschland mangelt es an Therapieplätzen für Sexualstraftäter. Und zwar so eklatant, dass das Bundesverfassungsgericht eine schärfere Abgrenzung der Sicherungsverwahrung von der Strafhaft erzwungen hat. Die Öffentlichkeit sollte genau hinschauen, ob die Politik dem damit verbundenen Auftrag nach besserer Therapie nachkommt. Derweil gibt es auch im Bundestag über die Fraktionsgrenzen hinweg eine Debatte zur Sterbehilfe. Es geht um eine Neuordnung zum assistierten Suizid; die aktive Tötung auf Verlangen – in Belgien legal – bleibt strafbar. Frank van den Bleeken sagt, er wolle sterben dürfen, weil er ein Mensch sei. Zum Menschsein gehört aber auch die Verantwortung von uns allen, anderen Mut zum Leben zu machen.