Es muss wehtun, wenn man Durst hat. Es gibt wohl kein qualvolleres Leiden und keinen schlimmeren Tod, als bei wachem Bewusstsein zu verdursten. Denn Wasser ist das wichtigste Elixier für Mensch und Natur. Natürlich kommt es auf die richtige Dosierung an. Ein für alle Mal haben sich die machtvollen Bilder der Tsunamiwelle eingeprägt, die auf ihrem Weg alles zerschlagen und zerstört hat.
Aber der Mangel an Wasser ist ebenso mörderisch, wie all die Geschichten aus der Wüste zu berichten wissen. Wer kein Wasser hat, ist verloren. Wer die Oase nicht findet, wer an einen Trugbach gerät, der ohne Wiederkehr im Sand versickert ist, vertrocknet und verdorrt. Jesus benutzt ein starkes Bild, um die Dimension zu beschreiben, die Gott im Leben der Menschen nach seiner Meinung einnimmt. Es ist der Durst der Durst einer überschwemmten oder der einer vertrockneten Seele. Die Bilder, die Jesus verwendet, stellen das Innere von uns Menschen als eine Art Reservoir vor: Wenn es leer ist, vertrocknet der innere Mensch, wenn es überschwemmt ist, schafft es kein Leben. Es gibt eine richtige Dosierung und dann versorgt dieses Reservoir den inneren Menschen, ja, kann sogar überfließen und den Durst von anderen löschen: Ströme von lebendigem Wasser...
Jesus spricht vom Heiligen Geist, dem Tröster, in diesen elementaren Bildern. Der Heilige Geist ist sozusagen das fünfte Element und es setzt sich zusammen aus ganz einfachen spirituellen Bausteinen: Erbarmen, Vertrauen, Mut, Kraft und Liebe. Von diesen Bausteinen leben alle Menschen. Wenn sie fehlen, setzt ein unstillbarer Durst ein. Der spirituelle Durst macht zunächst keine Beschwerden. Das Lebensgefühl ist nicht beeinträchtigt. Der Mensch kann sich Jahre und Jahrzehnte pudelwohl fühlen. Das Leben läuft seine Bahnen oft sehr erfolgreich. Die Rechnungen scheinen aufzugehen und Gott scheint in diesem Spiel keine Karten zu haben.
Bis sich dann diese Sätze in die Gedanken schleichen: Ist mein Leben eigentlich sinnvoll? Was wird bleiben? Wer wird an mich denken? Was wird aus mir, wenn meine Zeit um ist. Was wird aus mir und was wird dann gewesen sein? Bankdepots und Börsengewinne zählen nicht bei dieser Rechnung, sondern: Erbarmen, Vertrauen, Mut, Kraft und Liebe. Es gibt wohl keine schmerzlichere Erfahrung als die, am Leben vorbeigelebt zu haben und auf die falschen Reservoirs gesetzt zu haben. Leben aus Gottes Fülle lässt sich nur in sinnlichen Glücksbildern ausdrücken: Ströme von lebendigem Wasser werden aus dem Innern fließen. Um dieses Reservoir zu füllen, muss ich nicht intelligent sein, nicht erfolgreich, nicht durchsetzungsfähig. Das kann ich sein, muss aber nicht. Ich muss nur ahnen, dass ich ein leeres Gefäß bin. Wenn ein Mensch demütig ist vor Gott und dem Leben, wenn er ahnt, dass er zutiefst abhängig ist von der Urquelle des Lebens, die wir Gott nennen, dann kann sich das innere Reservoir füllen. Vielleicht hat das unser Reformator Martin Luther ebenso empfunden, als er dieses Gebet formulierte:
Siehe, Herr, ich bin ein leeres Gefäß, das bedarf sehr, dass man es fülle. / Fülle du es, mehre mir den Glauben. Alles, was ich habe, ist ja in dir beschlossen. Darum bleibe ich bei dir, dir muss ich nicht geben; von dir kann ich nehmen die Fülle.