chrismon: Vier Millionen Menschen sind innerhalb Syriens auf der Flucht, zwei Millionen außerhalb des Landes. Wie kann die Kirche angesichts dieser gigantischen Zahlen helfen?
Claudia Warning: Indem wir uns ganz genau ansehen, was nötig ist. Und uns mit unseren Partnern vor Ort absprechen. Da wir seit Jahrzehnten in der Region vertreten sind, haben wir ein dichtes Netzwerk aufgebaut.
Helfen Sie nur christlichen Flüchtlingen?
Nein, natürlich nicht. Wer in Not ist, dem wird geholfen, egal ob evangelisch oder orthodoxer Christ, egal ob sunnitischer oder schiitischer Muslim.
Katastrophenhilfe steht manchmal in der Kritik: Transportkosten sind zu hoch, es wird zu viel zu schnell Geld ausgegeben.
Wir kennen diese Vorwürfe. Wir arbeiten daher eng mit lokal ansässigen Organisationen zusammen. Jeder macht das, was er am besten kann. Über unsere Partner kaufen wir lokal ein: Lebensmittel, Decken oder Kochgeschirr. Das hält die Kosten niedrig.
Was ist das größte humanitäre Problem?
Die Menschen zu erreichen, die nicht in den Camps leben. Hunderttausende von Flüchtlingen sind in jordanischen Gemeinden untergekommen. Was als Nothilfe gedacht war, dauert jetzt schon zwei Jahre. Statt drei Kinder in einer Unterkunft sind es sieben, statt einer Großmutter zwei oder drei. Da herrschen oft katastrophale Bedingungen.
Wäre es nicht sinnvoller, die Menschen nach Deutschland zu holen? Hier sind sie jedenfalls sicher.
Nein, es ist sinnvoller, ihnen dort zu helfen. Es ist wichtig, dass diese Menschen nicht noch weiter entwurzelt werden. Wir reden über mehr als sechs Millionen Menschen. Das ist eine der größten humanitären Katastrophen der letzten Jahre. Auch finanziell hat es Vorteile: Nehmen Sie eine Spende von 100 Euro: Damit kaufen wir pro Monat für eine Flüchtlingsfamilie im Libanon vier Hygienepakete à 25 Euro. Das beinhaltet Dinge wie Zahnbürsten, Zahnpasta, Seife, Toilettenpapier, Damenbinden, Waschmittel. In Deutschland wäre so ein Paket um ein Vielfaches teurer.
Was hilft?
Geld! Viel Geld. Während bei Naturkatastrophen sehr großherzig geholfen wird, fließen die Spenden bei Kriegen wie diesem in Syrien spärlich. Und: Der Winter steht bevor. In der Region gibt es Kälte und gelegentlich Schnee. Wir müssen die Menschen vor dem Erfrierungstod schützen. Das macht uns sehr große Sorgen.