Die meisten Berliner Kinder, die man nach ihren ersten Worten fragt, sagen vermutlich „Mama“ oder „Auto“. Lena Gellert sagt: „Camur“. Und „Terlik“. Camur heißt Matsch. Muss viel Matsch gewesen sein in Lenas Kindheit, es klingt nach einem Kindertraum. Matsch in Berlin, wo sie mit den Kindern der türkischen Nachbarsfamilie um die Häuser stromerte. Matsch in Istanbul, wo sie mit denselben Berliner Nachbarskindern während der Sommerferien im Schlamm spielte, in den unbefestigten Armenvierteln von Istanbul, den Gecekondus. „Für uns Kinder ein einziger Spielplatz, herrlich“, schwärmt sie. „Da bin ich wohl unbewusst türkisch geworden.“
So türkisch, dass es jetzt schwer wird, das andere Wort zu übersetzen. Terlik. Das sind pantoffelartige Latschen, die gibt es tatsächlich nicht in Deutschland. Es gibt im Türkischen vieles, was es in Deutschland nicht gibt, findet Lena. Den Mann mit den Simit, den kleinen Sesamkringeln. Strahlende Sonne im November. Und das Lächeln wildfremder Leute, denen man mal eben Feuer gibt. Sagt Lena, sitzt vor Starbucks am europäischen Ufer des Bosporus, raucht eine und sagt: „Hier gehöre ich hin. Dies ist meine Heimat. Oder sagen wir: meine zweite Heimat!“
Geboren in Berlin, zu Hause in Istanbul. Wie konnte das passieren? Als Lena, heute 29, zwei Jahre alt ist, lassen sich ihre Eltern scheiden. Die Mutter, von Beruf Kinderkrankenschwester, erzieht die beiden Kinder allein und ist froh, dass die Mädels so gut Anschluss finden im Friedenauer Mietshaus, bei den türkischen Nachbarn. Sie spielen mit den Kindern im Hof, gucken türkisches Fernsehen, essen Schafskäse und Tomaten. Meine zweite Familie, sagt Lena. Abla, Schwester, sagt sie zu den Nachbarsmädchen. Die türkische Mama nennt sie Tante.
Im Urlaub in Istanbul führt ihr erster Gang zur Blauen Moschee
Lenas deutsche Mutter ist alternativ angehaucht, ökologisch engagiert. Selber früh von zu Hause weggegangen, früh Kinder bekommen, die sie, wegen der Atomkatastrophe von Tschernobyl, streng mit Biokost ernährt. Im Sommer packt die Mutter ihre beiden Töchter in den VW-Bus und fährt los in Richtung Türkei. Im Autoradio läuft türkische Popmusik, Sezen Aksu, „Gülümse“. „Lächle“, heißt das auf Deutsch. Am Steuer des Bulli sitzt die Mutter, nebendran die Mädels, sie sagen der Mutter, wo sie Stop machen soll. In Rumänien zum Beispiel, in Transsilvanien. Transsilvanien! „Ich dachte, das gibt’s nur bei Dracula“, erinnert sich Lena. Und dann gibt es da noch echte Planwagen. Wie die von Playmobil. Ein echter Abenteuertreck in Richtung Türkei.
Istanbul ist damals, Ende der 80er, längst nicht so modern wie heute. Die ärmeren Viertel haben zum Teil keinen Strom, statt einer Toilette gibt es ein Loch in der Hütte. Duschen gibt es auch nicht, das Wasser wird in einem großen Blechzuber warm gemacht, in den die Kinder hineingestellt und abgewaschen werden. Aber Kinder verteilen ihre Sympathiesterne nicht nach der sanitären Ausstattung. Kinder mögen, dass was los ist, dass Katzen und Hühner und Hunde durcheinanderlaufen. Und so viele Kinder! Drei Monate bleibt die Berliner Kleinfamilie bei der ersten Reise in Istanbul, in diesen drei Monaten lernen sie Türkisch. Aus Versehen. Nebenbei.
Als die Töchter in Berlin in die Schule kommen, ist Schluss mit langen Urlauben, nur noch sechs Wochen können sie jetzt im Sommer in die geliebte Türkei fahren. Was bleibt, ist die Offenheit für andere. Lena fährt zum Schüleraustausch nach Italien, geht dort immer sonntags in die Messe. In Berlin besucht sie zehn Jahre lang den evangelischen Religionsunterricht. Getauft ist sie nicht. „Ich mag die Lieder“, sagt sie, „aber mir reicht, dass der Mensch in sich ein Mensch bleibt, dafür brauche ich keinen Gott.“ Wenn sie im Urlaub nach Istanbul reist, führt ihr erster Gang zur Blauen Moschee. „Dann setze ich mich in den Hof und höre ein Gebet an. Das geht ganz tief rein.“
Zu Hause entspannt sich Lena bei einem türkischen Kaffee
Heimweh nach Klößen und Rotkohl
Nach dem Abitur geht alles seinen ordentlichen Gang. Freiwilliges Soziales Jahr beim Deutschen Roten Kreuz. Hotellehre, erste Stelle, und immer der Traum: Istanbul. Dann findet die Mutter einen Job in Istanbul. Und dann ergibt sich auch für Lena, inzwischen Hotelfachfrau, die Chance, bei Manzara Istanbul anzufangen, einem boomenden deutsch-türkischen Reiseunternehmen. Im Februar 2012 zieht sie von Berlin nach Istanbul. „Es war wie nach Hause kommen“, sagt sie.
Ein Jahr ist das jetzt her. Und natürlich ist nicht alles toll in der Türkei. Es gibt blöde Blicke, wenn sie als junge Frau im Freien ein Bier trinkt. Es gibt Polizisten, die abends die Straßenmusiker vor dem Galata-Turm verjagen. Es gibt Intoleranz, „viel mehr als in Berlin“, es wird hintenrum geschwätzt und rumgelogen.
Und es gibt Heimweh. Nach Freunden in Berlin. Nach Klößen und Rotkohl. Nach den kleinen Neffen in Deutschland, die sie nicht aufwachsen sieht. Nach der geliebten Oma. Wenn mit der Oma was wäre, das wäre ganz schlimm. „Aber solange es Oma in Deutschland gutgeht, geht’s mir hier auch gut.“ Schließlich lebt ja auch ihre Mutter um die Ecke, und Lena wohnt mit türkischen Freunden in einer Wohngemeinschaft. Freunde hat sie viele in Istanbul, Freunde aus aller Welt. Nur die alten Berliner Nachbarn, mit denen sie als Kind immer nach Istanbul gefahren ist – die hat sie lange nicht gesehen. „Die meisten von denen waren bestimmt 15 Jahre nicht hier“, vermutet Lena. „Die sind total eingedeutscht.“ Die haben ihre Heimat gefunden. In Berlin-Friedenau.
wozu?
Ich lese und frage mich, was soll das?
Was anderes ist das Ziel des Textes, als die offensichtliche Überzeugung der Autorin wiederzugeben, das Gott in der Ökumene zu finden ist?
"Was bleibt, ist die Offenheit für andere....geht dort immer sonntags in die Messe....zehn Jahre lang den evangelischen Religionsunterricht....Getauft ist sie nicht....„aber mir reicht, dass der Mensch in sich ein Mensch bleibt, dafür brauche ich keinen Gott.“...führt ihr erster Gang zur Blauen Moschee. „Dann setze ich mich in den Hof und höre ein Gebet an. Das geht ganz tief rein.“
Was um alles in der Welt hat dieser Artikel für ein Ziel?
Die Evangelische Kirche hat jedes Format, jedes Erbe der Reformatoren und jede Gottesfurcht verloren.
Das Evangelium ist diskriminierend, nicht alle Wege führen zum Ziel, völlig unwichtig, wie gut sie Dir tun!
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