Der, der losreitet: Klaus Hoffmann
Er ist der, der für die ganze Karawane Wasser holt. Der Wasserholer eben. Und der Liedersänger
Dirk von Nayhauß
07.10.2010

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Blöderweise auf der Bühne, und je älter ich bin, umso mehr. Wahrscheinlich ist das mein Weg, um über die Jahre zu mir zu kommen. Auf der Bühne fühle ich mich sicher, dort kann ich an meine Grenzen gehen, will das Publikum auch verführen - was ich im privaten Leben nicht tue. Da musst du mich dreimal ansprechen, eh ich eine Antwort gebe. Auf der Bühne kann ich viel weiter gehen als im normalen Leben, ich bin ein scheuer Typ. Ich bin schon der weiche Bär, den die Menschen in mir sehen.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Zu staunen. Die richtigen Fragen im falschen Moment zu stellen. Von meiner eigenen Tochter - sie ist schon dreißig und lebt in Spanien - lerne ich gerade wieder, mit weniger glücklich zu sein. Dieses: Man hat nichts, aber macht das Beste daraus. Das konnte ich, als ich Anfang zwanzig war, da habe ich mit sehr viel weniger gelebt, ganz karg, habe viel Zen gemacht und war mit allen sieben Sinnen unterwegs.

Muss man den Tod fürchten?

Natürlich, aber wir müssen alle sterben, daran ist nichts zu ändern, ich muss mir die Furcht irgendwie abgewöhnen. Ich hoffe, dass ich mich - wenn es so weit ist - im Sterben Gott überlassen kann, dass ich mich vertrauensvoll hingeben kann. Und ich hoffe, dass ich so sterben werde, wie ich gelebt habe. Ich bin schon ein Festhalter, aber irgendwann kommt der Kick, der mich freilässt, und dann gebe ich mich hin. Ich setze mich immer wieder mit dem Tod auseinander, er gehört zu meinem Leben. Als ich zehn Jahre alt war, ist mein Vater gestorben. Meine Mutter hat den Fehler gemacht, mich nicht mit auf die Beerdigung zu nehmen. Natürlich wollte sie mich schützen, aber in Wirklichkeit hat sie mir die Möglichkeit genommen, seinen Tod zu begreifen. Und der Tod ist ja nicht nur Schmerz. Wer verstanden hat, dass er sterblich ist, dass morgen alles zu Ende sein kann, wird jeden Tag schätzen. Meine Frau Malene war lange sehr krank, sie hatte Brustkrebs. Zum Glück hat sie die Krankheit überwunden. Und ich? Ich Lahmsocke habe meine Lektion nicht wirklich gelernt. Ich würde das gerne besser übersetzen, würde gerne das Leben noch intensiver schätzen und genießen.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die meiner Frau Malene, wir sind seit 30 Jahren zusammen. Bei ihr fühle ich mich zu Hause, von ihr fühle ich mich geliebt. Sie versteht mich - fast besser, als ich es selbst kann. Ich habe einen blöden Spruch: Im Laufe der Zeit gewöhnte ich mich an mich. Ich wünsche mich oft viel stärker, größer, berühmter, erfolgreicher und mutiger, dass ich weniger Zweifel hätte. Und dann will ich weg, ich war häufig auf der Flucht, 1968 bin ich bis nach Afghanistan abgehauen. Ich reise heute noch gern, dabei weiß ich eigentlich, dass ich gleich hierbleiben kann, denn sobald ich zurück bin, fange ich wieder von vorne an. Und Malene? Sie findet natürlich nicht alles gut, was ich mache, aber sie akzeptiert mich so, wie ich bin.

An welchen Gott glauben Sie?

An den Einen. Ich habe keine bessere Vokabel. Und er ist immer gegenwärtig, gerade in der Begegnung mit anderen Menschen. Wenn ich hier mal alle meine Sicherheitsanker weglasse, wenn ich mich wirklich öffne, dann empfinde ich etwas an Leben, an positiver Kraft, da bin ich völlig baff. Ich bete mehr denn je, manchmal morgens, wenn ich noch im Bett liege.

Hat das Leben einen Sinn?

Ich wollte früher immer nützlich sein, und eigentlich will ich das heute noch. Ein Sänger tröstet, ein Sänger begleitet, er belehrt dich - und ich denke, das tue ich mit meinen Liedern und Texten. Auch privat bin ich eigentlich ein Wasserholer, wie ich es nenne: Ich bin einer, der losreitet und für die ganze Karawane Wasser holt. Meine Tochter Laura hat denselben Knall wie ich, sie fühlt sich immer für alle verantwortlich, will alle versorgen.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Dass ich mir weiter auf meinem Weg treu bleibe. Dass ich beispielsweise als Künstler nicht zu sehr nach dem Erfolg schiele und versuche nachzuahmen, was im Moment in ist. Mit 80 Jahren wäre ich gern noch witziger und versöhnlich. Im Innern bin ich es oft nicht, sonst hätte ich nicht diese Bandscheibenprobleme.

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