chrismon: Wie weit mussten Sie für Ihre Doktorarbeit reisen?
Eva Baumkamp: Bis in die Bibliothek. Viele denken, ich gehe in staubige Archive und lese Papyrusrollen. Aber ich arbeite mit Editionen, in denen die Briefe abgedruckt sind.
Was hat Sie interessiert?
Ich wollte wissen: Wie kommunizieren die frühen Bischöfe in Konflikten? Mitte des 3. Jahrhunderts gab es zwei große Christenverfolgungen; ich habe mich besonders mit Briefen von und an Cyprian befasst, er war Bischof von Karthago.
Warum wurden Christen verfolgt?
Sie haben pagane, heidnische Opfer verweigert, weil sie auf Gott orientiert waren, nicht auf die römische Götterwelt oder den Kaiser. Das machte sie verdächtig. Blieb der Regen aus, hieß es: „Die Christen sind schuld!“ Cyprian von Karthago musste zwei Mal die Stadt verlassen, blieb aber mit seiner Gemeinde und anderen Bischöfen in Kontakt.
Wie schaffte er das?
Die Kirchenmänner unterhielten ein Informationsnetz, das von Kleinasien und Nordafrika über Rom bis ins heutige Frankreich reichte. Der Austausch war so wichtig, dass sich die Bischöfe ihre eigene Post schufen. Sie bezahlten loyale Kleriker dafür, die Briefe zu überbringen.
Worum ging es in den Briefen?
Das Christentum war eine Untergrundorganisation, die ihre Strukturen erst finden musste. Dafür war Kommunikation wichtig: Wie sollte die junge Kirche mit Menschen umgehen, die unter Druck doch Opfer gebracht hatten? Oder: Was ist mit Christen, die von Ketzern getauft worden waren? Bischof Stephanus von Rom forderte in seinen Briefen: Das Handauflegen eines Bischofs reiche aus. Cyprian und andere Bischöfe meinten, diese Menschen müssten neu getauft werden. Theologische Fragen waren Machtfragen; die Bischöfe handelten über sie Hierarchien aus. Daneben diskutierten sie aktuelle Themen: dass Geld für Christen im Gefängnis gebraucht werde, dass die Gottesdienste gefeiert werden sollen. Sie wollten auch voneinander wissen, wie es ihnen gerade ging. Und es wurden – so wie heute – Grüße bestellt.
Was bedeuteten diese Briefwechsel für das Christentum?
Nicht nur die Botschaft des Christentums, sondern vor allem dieses Informationsnetz war der Grund, warum die Christen sich durchsetzten. In den Briefen finden sich viele Hinweise auf Synoden. Ihre Ergebnisse wurden nach außen getragen. Jahrzehnte später konnte Kaiser Konstantin der Große solche Strukturen nutzen und das Christentum zur privilegierten Religion im Römischen Reich machen. Diese Konstantinische Wende wäre ohne die Briefe schwer denkbar.
Heute redet alle Welt von Netzwerken. Sehen Sie Parallelen zur Gegenwart?
Die Bischöfe schufen ihr Informationsnetz im riesigen Römischen Reich ganz neu. Auch heute erschließt das Internet immer neue Räume. Viele denken: Jeder kann mit jedem kommunizieren, hierarchiefrei. Aber aus der Geschichte der bischöflichen Briefe wird klar: Kommunikation ist hierarchisch. Mit Namenslisten legten Bischöfe fest, wer die Briefe überhaupt bekommen sollte. Bestimmte Bischöfe haben versucht, ihr Netz zu spannen; sie wollten lenken, wer was erfährt. Bei den Informationsnetzen dabei zu sein – das war schon damals ein großes Thema.