02.12.2011

Die syrische Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Rosa Yassin Hassan erzählt in ihrem Buch die Geschichten von fünf Frauen aus fünf Generationen. Soziale Zwänge, Aberglaube, aber auch Emanzipation, Liebe und Partnerschaft bestimmen ihr Leben. In dem kleinen Dorf Alia kommt Anfang des 20. Jahrhunderts, zu Zeiten der osmanischen Herrschaft, Umm Riema zur Welt. Ihr folgen Riema, Um Ibrahim, Mariam und Angela, die in den 1990er Jahren ihre Jugend erlebt. Eine Truhe aus Ebenholz ist das verbindende Element zwischen ihnen – sie wird seit Generationen den Frauen der Familie weiter vererbt.

Jede der Frauen hadert mit der patriarchalischen Gesellschaft Syriens. Früh bekommen sie zu spüren, dass sie weniger wert sind als die Männer. Umm Riema, schwer gedemütigt durch die Liebschaften ihres Ehemannes, muss nach dessen Tot ihre Tochter Riema allein großziehen. Und auch die bildhübsche Riema wird schwanger von ihrem Traumprinzen sitzengelassen. Den Frauen der nächsten Generationen wird es zwar zunehmend besser gehen, doch ihre Schritte bleiben winzig. Um Ibrahim verliert ebenfalls den Kampf um mehr Selbständigkeit und ordnet sich den Wünschen ihres Mannes unter.

Kämpferinnen und Träumerinnen

Erst ihre Tochter Mariam wagt es, aus den gesellschaftlichen Zwängen auszubrechen: Als erste Frau in der Familie heiratet sie aus Liebe und geht auf eine Universität. Angela schließlich, benannt nach der US-amerikanischen Bürgerrechtlerin Angela Davis, kann ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen. Doch auf ihr lasten die Erwartungen ihres Vaters, eines linken Widerstandsaktivisten, seinen Kampf gegen die herrschende Klasse weiterzuführen.

Raffiniert kombiniert Yassin Hassan die einzelnen Personenportraits zu einem großen Ganzen. Sie erzählt nicht chronologisch, sondern stellt die gegensätzlichen Charaktere ihrer Protagonistinnen einander gegenüber: Die mutigen Kämpferinnen, die Träumerinnen und die, die zerbrechen. Demütigungen erleiden sie alle, meistens von Männern. Der Aberglaube hilft ihnen, der Wirklichkeit zu entfliehen und die Erniedrigungen zu überstehen. Die unterschiedlichen, sehr persönlichen Geschichten bettet Yassin Hassan ein in politische Ereignisse wie die iranische Revolution und die palästinensische Intifada. Dies bleibt leider sehr rudimentär.

Opfer sozialer Zwänge

An manchen Stellen hätte man sich mehr Informationen über den zeitgenössischen Kontext gewünscht, doch die Autorin bleibt im Mikrokosmos ihrer Protagonistinnen. Sie erzählt einfühlsam, ihre Sprache ist stets blumig und voller Metaphern, besonders wenn sie über Liebe oder Sexualität schreibt. Das erscheint zunächst ungewöhnlich, hilft aber auch, den Charakter der Frauen und die Kultur Syriens nachzuempfinden. Rosa Yassin Hassan hat einen Emanzipationsroman für die Frauen der arabischen Welt geschrieben – aber keinen, der belehrend wirkt oder die Männer anklagt. Auch sie werden als Opfer der sozialen Zwänge dargestellt.

Auf Arabisch erschien der Roman bereits 2004; allerdings hatte das syrische Kulturministerium sämtliche Szenen über Sexualität streichen lassen. Rosa Yassin Hassan erhielt dennoch den „Hanna Mina Preis“ für junge Romanautorinnen.

Rosa Yassin Hassan: Ebenholz, Alawi Verlag,  Köln 2010, 292 Seiten, 19,90 Euro

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